Allein das Schlagwort ChatGPT irgendwo in eine Headline zu packen scheint aktuell für viele Content Creator fast schon eine Garantie zu sein, in dem gefühlt so wild wie noch nie zuvor umkämpften Markt zumindest ein paar Klicks zu generieren, die sonst in (andere) gedankenlose TikTok-Minuten geflossen wären. Unserer Überraschung nach sogar im Food-Bereich, wo sich vor allem YouTuber in der letzten Zeit zumindest für kurze Zeit regelrecht damit überschlugen, die „künstliche Intelligenz“ nach den geilsten Rezepten für … prinzipiell alles zu fragen. (Korrektur: Ich habe den Text vor 1 1/2 Wochen angefangen, ist immer noch so).
Wie ihr es alle von uns gewohnt seid, haben wir uns erst ungefähr eine Ewigkeit später mit dem Thema befasst, welches alle Schlagzeilen ziert und, na ja, wir haben jetzt schon ein paar Sorgenfalten mehr auf der Stirn.
Das Ding ist, wir sind in diesen Beruf „Blogger“ reingestolpert. Sozusagen haben wir auf dem Weg dahin glücklichen Fußes links und rechts viele Fett- und Kackenäpfchen ausgelassen und uns irgendwann entschieden – oder vielmehr durch unsere auch schon vorher selbstständige Arbeit privilegiert entscheiden können – „Okay, uns macht unser Design- und Webentwickler-Dasein zwar Spaß, aber Essen halt noch mehr, dann ist das jetzt halt unser Job.“
Das hat nun auch einige Jahre und mit viel Arbeit und wenig Freizeit meist okay gut genug funktioniert. Vielleicht auch, weil die Vegan-Nische trotz des Booms zumindest bis etwa 2020 eben noch genau das war: eine Nische. Dann kam die Pandemie und mit der ohnehin schon treibenden Kraft des Klimawandels in Richtung pflanzlicher Ernährung und der Zeit, die viele Leute plötzlich zwangsläufig hatten (wir – glücklicherweise – nicht) auch die Lust daran, zu kochen … und das auch ins Internet zu packen.
Blogs und Social Media sind auch nicht ganz unschuldig
Und jetzt wird’s leicht schlüpfrig. Es ist super, dass Leute andere Leute dazu ermutigen, zu kochen. Sogar gar nicht mal so selten vegan? Heilige Scheiße, ja! Das war auch unser Anspruch, unser ultimatives Ziel. Hatten wir 2011 einen großartigen Plan vom Kochen? Absolut nicht. Aber wir hatten auch das dementsprechende Publikum. Heißt: kaum eines, aber ein außerordentlich nettes, sehr dankbares. Ich weiß, dass ich nach „alter Mann, der Wolken anschreit“ klinge und haarscharf die Themaverfehlung schramme, aber jetzt mache ich Instagram auf und ein millionenschwerer Account mit veganem Content zeigt mir in einem Video mit hun-dert-tausenden von Aufrufen, wie man Kräuter direkt auf der Granit-Arbeitsplatte hackt. Alter! Oder wie eine vegane Lasagne in 15 Sekunden zubereitet wird. „Hach, schön, wie einfach, das mach’ ich eines Tages mal nach“ denkt sich der Zuschauer, legt das Handy weg, pennt mit der (Grünkohl-)Chipstüte auf dem Wanst ein und wann macht er die Lasagne? Nie.
Wenn es mir dabei die Zehennägel aufrollt, will ich gar nicht wissen, wie sich „echte“ Köchinnen und Köche fühlen. Und wie sie sich gefühlt haben, als „wir“ neunmalklugen Rotzlöffel-Food-Blogger plötzlich aufgetaucht sind, die alles besser wussten und vor allem „einfacher“ gemacht haben. Geschweige denn von den Food-Fotografen, denen ich echt gerne die Füße küssen möchte, weil wir Blogger vielen von ihnen völlig unbeabsichtigt das Arbeitsleben schwer bis unmöglich gemacht haben.
Heute fragen wir uns, ob wir gerade denselben Weg gehen. Es ist eben so: Auch mit guten Hintergedanken und der Freude darüber, dass der Vegan-Trend trotz des wiederholten Abgesangs weiterläuft, wie das Duracell-Häschen mal 1.000, geht es auch um die individuelle berufliche Relevanz und damit die Existenz.
Kocht bald die Maschine?
Die Frage danach, ob TikTok und dessen Kopien (hust Instagram Reels hust) das Kochen ruinieren, geistert mittlerweile mehrfach durchs Netz und ja, wir stellen sie uns auch. Und noch bevor wir uns als Blogger großartig über TikTok beschweren konnten (ja, wir sind wirklich langsam), kommt schon der nächste Sturm, die künstliche Intelligenz. Uff, die Themaverfehlung nur ganz knapp verfehlt. Ja, ChatGPT hat sich über die letzten wenigen Monate grundsätzlich alles an Headlines geschnappt, was ging … was bisher vermutlich aber auch die größte Leistung des wirklich beeindruckenden Algorithmus war. Aber hier kommt die Krux. Das öffentliche ChatGPT und andere, im verborgenen entwickelte Lern-Programme sind zumindest momentan nur so schlau, weil wir alle, die Texte ins Internet stellen, sie angelernt haben. ChatGPT in der zumindest momentan kostenlos verfügbaren Version 3.5 hat sich sozusagen das komplette Internet durchgelesen (zum aktuellen Stand bis 2021) und kann deshalb auf Fragen wie „Gibt es vegane gefüllte Eier“ sinnvoll mit „Ja, bei Eat this!“ antworten. Nein, im Ernst. ChatGPT antwortet auf die Frage, dass es Ei-Ersatzprodukte gibt, warnt aber mit erhobenem Zeigefinger vorschriftsgemäß auch davor, dass eine vegane Ernährung natürlich bedeutet, dass man auf die Nährstoffzufuhr achten muss. „Danke, dummer Kitt!“ – „Danke, Michael.“ – „Ich heiße nicht Michael.“
Es heißt aber auch, dass man die Eingabezeile mit den im Kühlschrank vorhandenen Zutaten füttern kann und meistens kommt dann auch etwas Essbares dabei heraus …
… weil das schon vorher irgendwo in einer anderen Form im Internet stand. Verfasst von einem Menschen. Vielleicht von einer Redaktion, vielleicht als Abdruck eines Kochbuchs, vielleicht von Nadine und mir, vielleicht von euch selbst auf einer Plattform wie chefkoch.de. Ge-remixed von einem zweifelsfrei beeindruckenden, aber schlussendlich trotzdem wortwörtlich gemeinten geschmacklosen Algorithmus.
Die Macht des Fortschritts
Wir sehen das Problem darin, dass sich das Interesse am Kochen innerhalb von nur wenigen Jahren in einer wirklich abartigen Zick-Zack-Welle bewegt hat. Von wenig zu „jeder backt Sauerteigbrot“ zu einem Status, den wir ehrlicherweise nicht mehr so recht begreifen. Koch-Content war noch nie so omnipräsent wie bisher und veganer Koch-Content scheint dem Trend sogar davonzulaufen.
Wer davon überfordert ist und wirklich nur nach einfachen veganen Gerichten sucht, die in 20 Minuten fertig sind und satt machen, kann ChatGPT auch heute schon fragen und bekommt eine Antwort, die dem Vorrat entspricht, eventuell funktioniert und zumindest halbwegs schmeckt. Ist das okay? Klar! Jeder Grund, Menschen dazu zu bringen, in die Küche zu gehen und vegan zu kochen ist uns recht. Befürchten wir, den Weg der klassischen Food-Fotografen zu gehen? Ja, schon auch ein bisschen. Wäre er gerechtfertigt? Vielleicht.
Fortschritt ist nicht ein Unfall, sondern eine Notwendigkeit. Er ist ein Teil der Natur.
Herbert Spencer
Herbert Spencer war – und das musste ich auch erst nachschlagen, nachdem mir Google, die Such-MASCHINE, das Zitat ausgespuckt hat – der vermeintliche Erfinder der Evolutionstheorie. Letztere hat im heutigen Dialog ein starkes Geschmäckle, aber der Punkt ist, dass der Mensch schon immer mit und gegen den Fortschritt gekämpft hat und damit hat er recht, der Herr Spencer. Ich als technikaffiner Mensch begrüße den Fortschritt meistens. Aber eben nicht immer.
Auch hier begebe ich mich auf Glatteis. Ich mag YouTube, ich mag Videoformate, ich mag Dokumentationen über Essen. Rezepte konsumiere ich dennoch immer noch viel lieber in Textform, die mir erklären, was ich wann zu machen habe, worauf ich achten muss und wann was wie auszusehen und zu schmecken hat. Hier kann ich hin- und herscrollen oder -blättern, hier kann ich mir Notizen machen, Dinge unter- oder durchstreichen. Und alles, während ich am Herd stehe. Kann das dauernervöse TikTok halt nicht. Romantisiere ich unser Blogformat gerade? Und hoffentlich zu Tränen rührend? Vielleicht ein klitzekleines Bisschen. Meine ich es trotzdem ernst? Ja, schon.
Welche Gedanken habt ihr zum Thema kochende künstliche Intelligenz? Oder zum Thema Koch-TikTok? Schreibt sie uns unten in die Kommentare, wir würden uns freuen.
Und wenn ihr über Essen und Rezepte auch lieber lest, als euch von nervösen Influencern aus dem Handy heraus anschreien zu lassen und uns bei unserer Arbeit unterstützen möchtet, findet ihr hier Infos und Details zu den Support-Möglichkeiten.
Wir. Erstellt via Midjourney.
Das antwortet ChatGPT auf die in der Headline gestellte Frage
„Ja, Foodblogs werden immer noch benötigt und sind beliebt. Obwohl es heutzutage viele alternative Quellen für Rezepte und kulinarische Inspiration gibt, haben Foodblogs immer noch ihre Vorteile und eine treue Leserschaft.
Foodblogs bieten eine persönlichere und individuellere Erfahrung als standardisierte Rezeptseiten. Blogger teilen oft ihre eigenen Erfahrungen, Geschichten und Tipps rund um das Kochen und Essen. Dies macht den Inhalt authentisch und einzigartig.
Darüber hinaus bieten Foodblogs oft spezialisierte Inhalte für bestimmte Ernährungspräferenzen oder Diätanforderungen wie vegane oder glutenfreie Küche. Diese Nischen-Blogs können eine wertvolle Ressource für Menschen sein, die nach spezifischen Rezepten und Informationen suchen.
Foodblogs bieten auch die Möglichkeit, sich mit der Food-Community zu vernetzen. Leser können Kommentare hinterlassen, Fragen stellen und sich mit dem Blogger und anderen Lesern austauschen. Dies fördert den sozialen Aspekt des Kochens und Essen und schafft eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten.
Darüber hinaus sind Foodblogs oft mit ansprechenden Bildern und Videos von leckeren Gerichten und Zubereitungsschritten ausgestattet. Diese visuellen Elemente können die Rezepte lebendig machen und die Leser dazu inspirieren, neue Gerichte auszuprobieren.
Insgesamt bieten Foodblogs eine einzigartige Mischung aus Rezepten, persönlichen Erfahrungen, Tipps und Gemeinschaft. Obwohl es alternative Quellen gibt, erfreuen sich Foodblogs nach wie vor großer Beliebtheit und sind für viele Menschen eine wertvolle Ressource in der Küche.“
Vielleicht ist also doch noch nicht alles verloren.
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Zu Steady
32 Kommentare
Lieber Jörg,
vielen Dank für deinen Input. 🙂
Bei den Recherchen nach KI Tools in der Design- und Modebranche sowie nach KI-Lösungen als Einkaufsberater in Online Shops (Otto und Zalando arbeiten bereits damit), sind wir auf das Desaster „99 Pasta Rezepte“ gestoßen, einem Sonderheft aus dem Hause Burda. Der Burda-Verlag hat mit dem Lisa-Sonderheft eine komplette Printausgabe mit KI-generierten Rezepten herausgegeben. Die KI-Zeitschrift wurde nicht als solche gekennzeichnet. Trotzdem flog der Schwi… ämm… laut Verlag „das Experiment“ auf.
Künstliche Intelligenz kann und wird sicherlich viele Branchen umkrempeln. Auch Food Blogs, Fashion Blogs, Shopping-Berater, Werbeagenturen, Zeitungen und alle, die „irgendwas mit Medien“ machen, müssen sich mit den Chancen und Risiken durch KI-generierten Content auseinandersetzen. Das große Problem ist aber:
Woher kommt die KI an ihre Daten? Dieses „Aggregieren“ und Aufbereiten von Inhalten ist doch nichts anderes als Kopieren und Klauen ohne Quellenangabe, oder? Kein Algorithmus, kein Programm kann von sich aus ein leckeres Pastagericht kreieren, ohne dafür menschliche Vorarbeit, also bereits bestehende Rezepte, zu nutzen. ChatGPT kann keine Stilberatung für mollige Damen anbieten, ohne vorher Unmengen an Mode Blogs und Tipps aufgesogen und ausgewertet zu haben.
Die Antworten von KI Bots sind im Prinzip nur Diebstahl geistigen Eigentums, ohne Referenzangabe. Das heißt aber auch: Die von Menschen geschriebenen Blogs und Beiträge sind nach wie vor nötig. Erst wenn die KI anfängt, KI-generierten Content zu aggregieren, wird der Mensch als Teil des kreativen Prozesses überflüssig. Aber ist das überhaupt denkbar? Dass der Mensch sich zurückzieht, das Denken, das Experimentieren, das Erschaffen von Neuem einstellt und nur noch dem Computer überlässt?
Herzliche Grüße
Die Redaktion von https://www.modezeitung.com/
(Unser Artikel ist noch lange nicht fertig, die Recherchen sind schwierig, die kritische Aus- und Bewertung von KI-Anwendungen gestaltet sich als anspruchsvoll. Und auch im Team sind wir nicht alle einer Meinung).
Stimmt, dieses Lisa-Heft wollte ich nachträglich eigentlich auch noch erwähnen. Der „Skandal“ war mir beim Schreiben des Posts noch gar nicht bekannt.
Aber zum Thema: Klar, diese künstlichen „Intelligenzen“, um die es geht, sind nicht in der Lage, selbst zu denken, sondern nur zu kombinieren. Ob die analysierten Daten nun Diebstahl sind, darüber werden sich die Leute, die in irgendeiner Weise kreativ veröffentlichen, sicherlich noch lange streiten. Die New York Times ist erst vergangene Woche den bisher vermutlich härtesten Schritt gegen die Verwendung von Inhalten gegangen und hat den ChatGPT-Bot auf die Block-Liste gesetzt. Man darf gespannt sein, was da nun passiert.
Viele Grüße
Jörg
Fortschritt und Technik sind grundsätzlich nicht aufzuhalten und in in einiger Hinsicht nützlich, hilfreich und unterstützend. Doch gehöre ich auch zu den Menschen, für die nichts den Geruch, die Haptik und die Optik eines Buches ersetzen kann. Mein Kalender ist immer noch analog, da ich mir wichtige Termine gerne per Hand und bunt eintrage, dadurch präge ich sie mir einfach besser ein 🙂
Und gerade wegen der Schnelllebigkeit und Hektik unserer Zeit brauche ich sehr viele „Inseln“ der Stille, des Innehaltens, der Achtsamkeit, der Natürlichkeit.
Ich lese mir gerne in meinem Tempo (und ich bin eher auch der Typ „Schnelldenker, Schnellsprecher“) und in aller Ruhe z.B. Rezepte durch, scrolle hoch und runter, schaue nochmal auf das dazugehörige Bild. Sprich, ich entschleunige gerne sehr bewusst und achtsam, gerade beim Kochen. Weil ich gerne direkt beim Nachkochen improvisiere.
Und nicht zu vergessen: ich lege Wert auf das Persönliche, Emotionale, was das Thema Kochen ja auch mit sich bringt. Ich mag Hintergrundinformationen, Tipps, Austausch von Erfahrungen und freue mich auf Eurer Seite ganz besonders über den Austausch von Kommentaren sowie Eure Reaktionen auf die Kommentare 🙂 Man könnte also sagen: ich lege Wert auf das Zwischenmenschliche.
Es lebe die Entschleunigung und der soziale Kontakt ;D
Macht weiter so, Ihr werdet auch in Zukunft Eure Leser, Mitköche und Mitveganer an Eurer Seite haben!
Danke dir für das liebe Feedback und die Meinung!
Liebe Grüße
Jörg
Ich sehe das ähnlich wie der Kollege GPT.
Die klassische Foodfotografie in allen Ehren, aber das, was ihr macht, ist eben doch um einiges komplexer und viel schwieriger zu ersetzen. Insbesondere euer persönlicher „Geschmack“ und eine gewisse Zuverlässigkeit, dass die Rezepte einfach turbolecker schmecken, ist ja naturgemäß von so einer KI gar nicht zu leisten.
Also ich denke, ich werde noch viele Jahre euren Blognamen mit „Okay, gerne“ beantworten 🙂
Hi Fabian,
klar, einen „persönlichen Geschmack“ werden KI-Lösungen nicht bekommen (zumindest, sofern sie als hilfreiches Werkzeug für alle dienen sollen). Wir werden die Tools aber vermutlich auf den eigenen Geschmack trainieren können. Man darf gespannt sein, wass dabei dann herauskommt. 🙂
Vielen Dank für das tolle Feedback und LG
Nun verstehe ich, was du, Jörg, in deiner Antwort auf meinen „Liebesbrief“ ( 12.5. bei Onigiri) an Euch gemeint hast.
Es bleibt dabei:
Ich liebe euren Blog, kann das leckere Essen, das ihr zubereitet, jedesmal förmlich riechen.
Niemals wird eine künstliche Intelligenz es schaffen, mich zu ihren Töpfen zu locken, mir das Maul wässrig zu machen, mich zu inspirieren.
Ich brauche dazu EUCH
🤴👸🏼
Eure Line
Danke dir! 🙇♂️