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Warum ich keine blaue, hexagonal geformte vegane Wurst möchte, die ich nicht mehr Wurst nennen darf

Vegane Wurst

Lasst uns kreativ sein, um bessere Bezeichnungen für BESSERE Produkte zu finden!

So lautete ein Kommentar auf unsere Vorstellung des Happy Cheeze-Sortiments – Käse-Alternativen auf Cashew-Basis – von Mudar Mannah.

Und obwohl die Headline etwas unverständnisvoll klingt, verstehe ich absolut den Hintergedanken von Gerd (nix für ungut noch mal!). Eigentlich wäre es ja schön, wenn man auch die Produktnamen von den Originalen tierischen Ursprungs trennen könnte.

Aber da kommt die Frage: Wie?

Ich wurde mehr als einmal von Omnis gefragt, warum „unsere“ veganen Produkte denn unbedingt in Form und Optik den „echten“ Würsten, „echten“ Burgern und „echten“ Steaks ähneln müssten (und fühlte mich dabei etwas geschmeichelt. A la „Ha! Du kannst’s doch selbst nicht mehr unterscheiden!“).

Meine – ernst gemeinte – Rückfrage lautete dann irgendwann: „Wie sollen ‚wir‘ unsere Produkte denn formen, damit ‚ihr‘ Omnis nicht mehr auf den von ‚uns‘ perfide geplanten ‚Betrug‘ herein fallt?“ (Auf das ‚ihr‘ und ‚uns‘ gehe ich später nochmal ein.)

Antworten und Vorschläge kamen dann übrigens keine mehr. Nicht einmal nicht-ernstzunehmende.

Ich habe mir die Frage selbst gestellt und zum Schluss gekommen, dass das schlicht und ergreifend nicht geht.

Es hat ja einen Grund, dass Bratwürste so geformt sind, wie sie sind. Blau einfärben und in eine hexagonale Form pressen ist einfach unpraktisch und würde als fertiges Produkt wohl auch nicht so appetitlich aussehen. Seitan-Steaks in zylindrisch-hohler Form wären möglicherweise Anwärter auf den nächsten Foodie-Craze, machen beim Anbraten aber massive Probleme. Und das Essen erst! Ich seh‘ die Dinger schon durch die Gegend fliegen.

Genauso verhält es sich mit Käse. Die Hilfsmittel zur Herstellung sind schon da, die Herstellung von Original- und Faux-Käse ist ähnlich und das Ergebnis sieht als Masse auch wieder aus, wie Hartkäsesorten aus Kuhmilch. Und das ohne Zutun des Herstellers.

Was mich wieder zum Vokabular bringt.

Die Begriffe Käse und Wurst kommen vom Handwerk des käsens und des wurstens (der 15-Jährige in mir kichert!).

Während das Wort Käse vom lateinischen übernommen wurde (und sogar der Duden sagt: „(von Milch o. Ä.) gerinnen, zu Käse werden“), kommt das Wort Wurst vermutlich aus dem Indogermanischen und bedeutet etwas in die Richtung „vermengen“ oder „drehen“. Genau die Arbeitsschritte, die auch ein veganer Wursthersteller vor sich hat, wenn er leckere Bratwurst oder Chorizo produzieren möchte.

Da haben wir es doch! Wurst heißt nicht Wurst, weil sie mal ein Schwein war. Wurst heißt Wurst, da sich irgendein kluger Kopf mal gefragt hat, wie er das Ding jetzt nennen soll, dass er gerade gewurstet (wieder Kichern!) beziehungsweise vermischt hat und zum Schluss kam, es wäre doch am einfachsten, es nach dem Herstellungsprozess zu nennen. Leuchtet ein, findest du nicht auch?

„Ihr“ und „Wir“ – we’ve come a long way

Mit der Erfindung von Neologismen für vegane Wurst und veganen Käse setzen sich Veganer erneut ab von der breiten Masse. Und das in einer Phase, in der der Veganismus so gesellschaftsfähig ist wie noch nie.

Ich persönlich brauche keine Massen-Akzeptanz. Ich käme zur Not auch ohne klar.

Die aktuelle und glücklicherweise nicht abreißen wollende Medienpräsenz macht jedoch 1. das Leben schlicht um einiges einfacher und 2. wird dadurch ja auch Hintergrundwissen über das vegane Leben und ethische Entscheidungen vermittelt.

Wozu also nach einer einer optischen und sprachlichen Abgrenzung streben?

Die wenigsten von „uns“ sind als Veganer geboren worden, weshalb ein großer Teil mit diesen Lebensmitteln positive Erinnerungen aus dem prä-veganen Leben verbindet. Man sollte also nicht vergessen, dass diese Ersatzprodukte (was für eine abfällige Mist-Bezeichnung) vielen Neu-Veganern den Umstieg erleichtert haben.

Und warum? Weil eben irgendwie klar ist, was man mit einer „Bratwurst“ oder einem „Steak“ anzufangen hat. Und wenn das Ganze dann auch noch geschmacklich an Bekanntes erinnert – umso besser, oder nicht?

Also lass uns nicht nach neuen Bezeichnungen suchen. Wir hätten nichts davon. Zumindest ist das meine Überzeugung.

Aber wie stehst du dazu? Lass mich deinen Standpunkt in den Kommentaren wissen.

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Zu Steady

Die nerdige Hälfte von Eat this! Liebt es, auch aufwändiger zu kochen und ist deshalb vermutlich für die langen Rezepte auf dem Blog verantwortlich. Kann nie genügend Kochmesser haben und liebt Chilis in allen Formen und Farben. In der Freizeit sitzt er gerne auf dem Fahrrad und hört dabei Metal.


23 Kommentare

Gib deinen Senf dazu

  1. Jetzt ist 2022 schon zu drei Vierteln um, und die Diskussion ist immer noch die gleiche… *Augenroll*

    Warum wollen Veganer, dass ihr Essen wie „normales“ Essen aussieht?

    Aus dem gleichen Grund, aus dem man auch Dildos benutzt:
    Sieht genauso aus, fühlt sich genauso an, stopft ein Loch – aber es werden keine Herzen dabei gebrochen!

    Stammt zwar leider nicht von mir, aber ich benutze diese Erklärung gerne, laut und häufig!

  2. Hallo Jörg,
    Das ist ein interessanter Beitrag, denn ich wurde auch von einem Kollegen und anderen mit diesem Thema konfrontiert und hatte keine Antwort, obwohl ich das Thema überhaupt doof fand, um nicht zu sagen sehr grenzwertig und empfand dies, wie Intoleranz mir gegenüber. Warum stören sich die Leute dran, daß die Veganer eine Vegan-Wurst Wurst nennen ? Warum neue Wörter erfinden? Ich verstehe das nicht. Deshalb finde ich Deine Argumente sehr hilfreich – also daß die Namen mit der Art der Herstellung und nicht mit dem Inhalt zu tun haben. Auch der Beitrag von Marie ist sehr gut in dieser Diskussion. Vielen Dank an alle.

    1. Vielen lieben Dank. Der Beitrag hat schon längst eine Überholung verdient und ich hoffe, ich komme bald dazu. Bis dahin: Cool, dass du trotzdem das ein oder andere Argument herausziehen konntest. 🙂