Comfort Food pur und ganz weit entfernt vom grauen, langweiligen Kantinen-Pamp. Unser veganes Seitan-Frikassee mit Kapern und buntem Gemüse gewinnt locker Schönheitswettbewerbe, duftet und schmeckt beinahe schon unverschämt gut und überzeugt sogar Sahnesaucen-Gegner.
Frikassee. Der Klassiker mit (nicht nur einem) Touch kulinarischem 80s-Charme rangiert doch bei allen irgendwo zwischen der perfekten Blaupause für Mikrowellen-Fraß im bereits praktisch abgeteilten Plastik-Menüteller und „in den Top 10 der Lieblingsgerichte steht es ganz weit oben“.
Völlig egal ist das eigentlich meist ziemlich verhunzte (dazu später mehr) helle Ragout aus – im Original – klein geschnittenem, hellen Fleisch und wenn man Glück hat ein bisschen Gemüse (gerne bestehend aus dem typischen TK-Mix aus Erbsen und irgendwie viel zu gleichförmigen, Betrugs-Babykarotten, you know, what I mean) nur wenigen. Ich habe bisher zu dieser Minderheit gehört. Hühnerfrikassee? Ja, klar, in grauer, unveganer Vorzeit schon mal gegessen. Auch standesgemäß (obwohl Frikassee gar nicht mal einen so vornehmen Background hat, wie man beim Klang des Namens vermuten könnte) in Blätterteig-Königin-Pastetchen.
Wenn schon Klischee, denn schon Klischee, man gönnt sich ja sonst nichts. Habe ich es vermisst? Nicht wirklich. Eigentlich auch kein Wunder. Wie ich schon im Blogpost zu unserer Blumenkohl-Alfredo-Pasta erzählt habe, war ich nie der größte Fan cremiger Saucen. Ein geschmackliches Erlebnis kann es auch nicht gewesen sein, wobei wir wieder dabei sind, dass der Kantinen-Dauerbrenner (wobei es halt mehr so der Kracher für die Kantinenbetreiber ist, weniger hingegen für die -gäste) halt häufig verhunzt wird. Und sind wir mal ehrlich: Ein unvergesslicher Eyecatcher ist so ein notorisch farbloses Frikassee eben auch nicht.
Dass gerade ich also diesen Post schreibe spoilert somit schon ein bisschen, dass hinter dem Gericht, über dessen „einzig wahre, korrekte“ Zubereitung und den irgendwie ein bisschen angeknacksten Ruf sich Hobbyköche im Netz regelrecht zerfleischen, doch etwas steckt, das auch cremigste Skeptiker überzeugen kann. Ja, unser veganes Seitan-Frikassee hat sich mir-nichts-dir-nichts ziemlich weit oben auf meine Lieblingsgerichte-Liste gemogelt.
Wie es das geschafft hat? Na ja, zum einen ist es – obwohl wir uns auch mit unserer veganen Version relativ nah an anerkannten, traditionellen Rezepten orientieren, nur eben ohne Suppenhuhn – quasi im Handumdrehen zubereitet. Wenn man unseren leckeren „Chicken Style“-Seitan im Kühl- oder Tiefkühlschrank bevorratet – zu was ich auf jeden Fall raten würde – und nicht gerade durchdreht und der Nostalgie halber die Karotten in Form schnitzt. Macht zwar irgendwie Laune, kann ich aber nicht empfehlen, wenn der Hunger gerade nagt. Dauert halt doch ein bisschen, würfeln reicht auch.
Zum anderen kann so ein selbst gemachtes, „veganes Hühnerfrikassee“ nicht nur verdammt lecker sein, sondern genauso aussehen. Farblos? Nicht mit uns. Klar, es gibt natürlich auch die Leute, bei denen nichts über das erwähnte, graue Mikrowellen-Frikassee geht. Guilty pleasure, ich verstehe schon und verurteile nicht. Ich sag’ nur Ravioli aus der Dose. Aber du hast ja sicher nicht bis hierher gelesen, um dich jetzt vor ein bisschen Handarbeit in der Küche zu drücken? Ich verspreche, allzu ambitioniert wird es nicht.
Ohne jetzt zu sehr ins Detail gehen zu wollen: Die Sauce eines Frikassees entsteht, im Gegensatz zum Blankett, bei dem sie nach dem eigentlichen Garvorgang sozusagen in einem weiteren Schritt mit einer Mehlschwitzenbasis zum Ragout kommt, immer während der Zubereitung. Das Frikassee selbst ist also ein 1 A One-Pot-Rezept. Gebunden wird durch das Bemehlen des Seitan-Geschnetzelten und natürlich durch das Einreduzieren des Fonds, der bei uns aus Gemüsebrühe, Hafersahne und einem möglichst trockenen Weißwein besteht, der dem Seitan-Frikassee einen Touch Säure und damit Frische verpasst. Und hier wurde dem Gericht über die letzten Jahrzehnte teils übel mitgespielt. Alles rein in den Topf und dann Saucenbinder dazu? Im Ernst jetzt, das muss doch nicht sein!
Der in Streifen gezupfte, bemehlte Seitan wird kurz in etwas veganer Butter angeschwitzt, sollte dabei aber auf keinen Fall anbräunen. Auch in unserer Variante ist das ultimative Ziel, eine möglichst weiße Sauce auf den Teller zu bekommen. Dann geben wir weiße Zwiebel, die erwähnten, handwerklich bearbeiteten Karotten und möglichst kleine, halbierte weiße Champignons dazu, löschen mit Wein ab, gießen mit Gemüsebrühe auf, würzen mit Lorbeer, Muskatblüte, weißem Pfeffer, Salz und einem kleinen Stück Zitronenschale und lassen das Ganze für etwa 12-15 Minuten mit aufgelegtem Deckel köcheln.
Nun kommen Hafersahne, Kapern, die Erbsen und ein Spritzer Zitronensaft dazu, dann darf dein cremiges, mittlerweile verführerisch duftendes Seitan-Frikassee weitere 5 Minuten ohne Deckel reduzieren, während denen du etwas Petersilie oder, noch besser, Estragon für das Topping fein hackst und schon mal die Wildreismischung, die wir wegen des nussigen Geschmacks zum veganen Soulfood-Ragout am liebsten essen, auf Teller verteilst. Das war’s schon. Eigentlich dürfte bis hier hin keine halbe Stunde vergangen sein. Nicht schlecht für so einen jetzt doch recht edel aussehenden Kandidaten fürs nächste Date-Night-Dinner, oder?
Für unser veganes Frikassee kannst du selbstverständlich auch andere Gemüsesorten verwenden – ich sage nur Spargel-Saison! – und ich könnte mir auch vorstellen, den Seitan 1-zu-1 gegen in Streifen gezupfte Kräuterseitlinge auszutauschen. Nimm die Bedeutung des Wortes fricassée einfach wörtlich und mach’ unser leckeres „Sammelsurium“ einfach zu deinem eigenen!
Seitan-Frikassee
- 400 g Seitan Chicken Style
- 4 EL Weizenmehl Type 405
- 2 EL vegane Butter
- 1 weiße Zwiebel
- 100 g Karotte
- 100 g weiße Champignons möglichst klein
- 75 g Erbsen
- 150 ml Weißwein
- 350 ml Gemüsebrühe
- 250 ml Hafersahne
- 2 Blätter Lorbeer
- ¼ TL Muskatblüte gemahlen
- ½ TL weißer Pfeffer gemahlen
- 1 kleines Stück Zitronenschale
- ½ TL Salz
- 1 EL Kapern
- 1 EL Zitronensaft
- 2 EL Petersilie fein gehackt
- Seitan schnetzeln oder in mundgerechte Stücke zupfen und gleichmäßig mit Mehl bestäuben.
- Vegane Butter in einen heißen Topf geben, schmelzen lassen, Seitan 3 Minuten unter Rühren bei mittlerer Hitze anschwitzen. Nicht bräunen.
- Zwiebeln in feine Streifen schneiden, Karotten würfeln. Champignons je nach Größe halbieren oder vierteln. Zum Seitan geben und eine weitere Minute braten.
- Mit Weißwein ablöschen, mit Gemüsebrühe aufgießen, Lorbeer, Zitronenschale, Muskatblüte und Pfeffer dazu geben und mit Salz abschmecken.
- 12-15 Minuten mit Deckel köcheln lassen, ab und zu umrühren. Hafersahne Erbsen, Kapern und Zitronensaft unterrühren, 5 Minuten bei mittlerer Hitze reduzieren lassen.
- Mit fein gehackter Petersilie toppen und mit Wildreis-Mix servieren.
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57 Kommentare
Ich liiiiiiieeeebe dieses Rezept. Ihr seid einfach immer und immer wieder genial. Dank danke danke
Danke dir für die tolle Rückmeldung!
Das Rezept klingt fantastisch. Ist es auch möglich, den Weißwein weg zu lassen bzw. durch was würdet ihr dann die Flüssigkeit am besten ersetzen? Vielen Dank. 🙂
Hallo Judith,
anstatt des Weißweins könntest du einen nicht zu süßen Traubensaft verwendet und eventuell zum Schluss mit wenig Essig abschmecken. Du könntest auch einen alkoholfreien, ebenfalls nicht zu süßen Weißwein verwenden.
Liebe Grüße
Jörg
Ich trinke auch keinen Alkohol und habe einfach die Einlegeflüssigkeit von roten Zwiebeln verwendet. Wasser, Säure und Zucker wie in Wein hat man damit ja abgedeckt. Und es wäre meiner Meinung nach Schade, die Flüssigkeit nicht weiter zu verwenden.
wirklich richtig, richtig lecker. Auch der Seitan ist klasse. Mein Mann war auch sehr begeistert.
Vielen lieben Dank, Gesa! Freut uns mega. 🙂
Liebe Grüße
Nadine
OMG, zum niederknien. So unglaublich lecker. Ich hab normalen Reis dazu, ein Fehler, Wildreis wäre so viel besser. Ich muss das morgen nochmal kochen oder nächste Woche, ganz viel und Gäste einladen.
„Hühnchen“ waren bei mir die Aldi Chunks, sonst alles wie bei euch. Ich bin begeistert, nur falls ihr das noch nicht rausgelesen habt. BEGEISTERT.
Hi Annett,
klasse, das freut uns wirklich sehr. Danke dir für die tolle Rückmeldung!
Liebe Grüße
Jörg
Ich liebe liebe liebe dieses Rezept, für mich ist es Kindheitserinnerung im Teller. Und in der Variante mit fertigem „Hähnchen“ auch zum Feierabend ruckzuck fertiggeköchelt.
Als Mealprep hat es sich auch bereits mehrfach bewährt, easy eingefroren und aufgetaut. Danke! 🙂
Ganz lieben Dank Lea, freut uns wirklich riesig! 😊
Liebe Grüße
Nadine
War super super lecker!!!
Wir haben (shame on us) die italienischen Geflügelbrocken von Nestle Garden Gourmet genommen, weil wir einen Glutensensiblen hier haben. Wir haben uns beim Anbraten an die Packungsanweisung gehalten und sonst ans Rezept, außer dass wir die Gemüseratio erhöht und eine Stange Sellerie reingepackt haben. Vielen Dank für eure Rezepte!
Hi Mona,
vielen Dank für die Rückmeldung. Freut uns sehr, dass euch das Frikassee so gut geschmeckt hat. Als glutenfreie Alternative zu Garden Gourmet können wir die Produkte von .planted empfehlen (keine Werbung, ehrliche Meinung). Das „Chicken“-Zeug passt super zu diesem Rezept.
Liebe Grüße
Jörg
Das beste vegane Frikassee-Rezept, das ich kenne! Gibt es bei uns regelmäßig und ist super easy. Danke euch an dieser Stelle mal für die tolle Arbeit, die ihr hier auf eurem Blog leistet!
Tausend Dank, Rebecca. Für das Feedback zum Rezept und zum Blog. Freut uns wirklich sehr. 🙂