„Servas, I bin d’r Sepp, dei Wies’nwirt. Wos derf I dir bringen? Mogst a Schweinshax’n oder a holb’s Hendl? Wos, a vegane Weißwurst willst hom? A geh’ Sacklzement, da kannst lang such’n, du Zipflklatscher, du saupreisischer. De Suppn host da selber eibrockt, etz muasst as aa selber ausleffen. Trinkst hoid a boar Mass, des is’ einzig vegane hier. Woaßt ja, zwoa Hoibe san aa a Wurschtsemme. Habe die Ehre.“ (Bei Übersetzungsschwierigkeiten empfehle ich das Bairische Wörterbuch).
Okay, scheinbar tu ich dem größten Volksfest der Welt unrecht, wenn ich ihm unterstelle, es gäbe nichts für Veganer, die sich in Kunstlederhosen und Dirndln aus regionalen, selbstredend handgesponnenen Leinenfasern unter das „normale“ Volk mischen möchten. Als Verweigerer der jährlichen Münchner Suffsause können Nadine und ich da auch echt nicht aus erster Hand mitreden.
Aber aus zweiter, denn seit einigen Jahren geht es auch in der Berichterstattung über das Oktoberfest nicht mehr nur darum, welchen Z-Promi es stockbesoffen von der Bierbank gebretzelt hat, sondern unter anderem auch um die pflanzlichen Speisen, die es so in den Bierzelten gibt. Das Problem dabei: Wer jetzt an klassische, sozusagen „inklusiv-veganisierte“ Gerichte denkt, liegt ziemlich daneben. Nein, den veganen Leberkässemmel sucht man eher vergeblich, über die notorisch viel zu laut trötende Blaskapelle kann man nur Bestellungen in Richtung Kohlrabi-Carpaccio und natürlich irgendwas mit Quinoa brüllen.
„Wos wuist jetzt? An Kohlrabi-Karpatscho? Mit Ki no aa no? Mei, bist du ein Grasaff’, ein elendiger.“
Nix gegen Kohlrabi-Carpaccio und natürlich auch nix gegen Quinoa, aber irgendwie klingt das für uns sogar als Nicht-Gäste furchtbar falsch. Und sind wir mal ehrlich: So ein leichtes, viel zu gesundes Kohlrabi-Carpaccio ist jetzt auch nicht unbedingt die beste Grundlage für die Maß Bier dazu. Rein wirtschaftlich täten die Wirte gut daran, so richtig handfeste Wirtshausspezialitäten auch für die nervigen Pflanzenfresser anzubieten, oder?
Und da schalten wir uns jetzt ein, denn wie Nadine ja schon in unserem Rezept zum veganen Obazda klargestellt hat: Unsere Herzen schlagen auf jeden Fall für deftiges Brotzeit-Gedöns, für Brez’n sowieso und dazu noch leckeres Bier? Sign us up, wir machen unser eigenes Oktoberfest! Gemütlich in der Joggingbuchse und garantiert ohne Blaskapelle.
Aber ganz ehrlich: Eine gute vegane Weißwurst haben wir da wirklich schmerzlichst vermisst. Bis jetzt!
Unser Mittelpunkt des rein pflanzlichen Weißwurstfrühstücks besteht aus Tofu, Seitan und natürlich den klassischen Kräutern und Gewürzen. Auch bei uns kommt viel Petersilie ins vegane „Brät“, außerdem Pfeffer, Zitronenschale, Ingwer, Kardamom und Muskatblüte. Diese heißt auch Macis, ist Muskatnuss zwar ähnlich, hat aber ein etwas milderes, süßliches Aroma. Eine Prise Guarkernmehl sorgt für den ordentlichen Biss.
Verzichten müssen wir nur auf den Wurstdarm und damit auf das Zuzeln, also auf die nach eingefleischten Weißwurst-Gesichtern einzig wahre Art, die Dinger zu essen. Aber darüber sind vermutlich viele auch ziemlich froh.
Uns ist das allerdings völlig wurscht, die vegane Weißwurst an sich gilt unter echt bayrischen Wurstpuristen ohnehin schon als Sakrileg und ist der Ruf erst ruiniert und so … du weißt schon.
Dafür habe ich jetzt eine grandiose Neuigkeit für alle, die zu Hause gerne mal selbst vegan wursten und sich bislang jedes Mal über den Abfall Gedanken gemacht haben, der entsteht, wenn man den meisten (auch unseren alten) Rezepten folgt.
Anstelle von Frischhalte- oder Alufolie oder gar einer Kombination aus beidem haben wir die (fast) Zero Waste-Alternative fürs Formen und Einwickeln entdeckt: Mulltücher! (Ich könnte jetzt einen Witz über Mullwindeln und Würste machen, spare mir den aber aus appetitlichen Gründen.) Die kannst du nämlich nach jeder Wurstsession einfach auswaschen und ganz hygienisch wiederverwenden.
Die Tücher schneiden wir in zwanzig Zentimeter große, quadratische Stücke und wickeln das „Brät“ für unsere vegane Weißwurst fest in eine Stofflage ein. Verschlossen werden die Seiten einfach mit herkömmlichem Wurstgarn. Die so eingepackten Wurst-Mumien können perfekt garen, das durchlässige Material lässt aber auch den Dampf entweichen, der durch den hohen Feuchtigkeitsanteil zwangsläufig entsteht. Das ergibt eine perfekte Form und konserviert die helle Farbe.
Das sieht man auch an unserem Test. Die obere Wurst wurde in Frischhaltefolie eingepackt und kam irgendwie recht unförmig aus dem Topf. Die untere habe ich in Frischhaltefolie und Alufolie eingewickelt, was dazu geführt hat, dass die Wurst recht kompakt und tatsächlich ziemlich dunkel wurde. Die in Mull gewickelte mittlere Wurst wiederum? Perfekt, würde ich sagen.
Die hellen Dinger werden jetzt heiß direkt aus dem Dampf mit möglichst frischen Brezeln und natürlich süßem Senf serviert und ich bin mir sicher, dass du spätestens jetzt ein großes Grinsen auf dem Gesicht haben wirst. Uns ging es jedenfalls so. Und wenn nicht? Dann fehlt dir einfach nur das zweite Glas Weißbier dazu.
„Auf oan Fuaß steht ma ned, des macht as Kraut aa nimmer fett.“
In diesem Sinne: An Guadn! Und an alle Wiesenwirte, die das hier vielleicht (oder vermutlich eher nicht) lesen: Traut euch, packt unsere vegane Weißwurst auf die Karte. Wir würden uns einen Ruck geben und die Wies’n tatsächlich auch mal besuchen. Die Kunstlederhos’n und das Dirndl würden wir uns aber sparen, so krass sind wir dann auch nicht drauf.
Vegane Weißwurst aus Tofu und Seitan
- 225 g Tofu
- 3 EL Rapsöl
- 13 g Salz
- 1 1/2 TL weißer Pfeffer
- 3/4 TL Senfsaat
- 1/2 TL Ingwerpulver
- 1/4 TL Kardamom gemahlen
- 1/4 TL Muskatblüte gemahlen, alternativ 1/4 TL geriebene Muskatnuss
- 20 g Petersilie
- 1 TL Zitronenschale
- 225 g Seitan Fix
- 1/4 TL Guarkernmehl oder Johannisbrotkernmehl
- Tofu grob zerbröseln. Mit Öl, Salz und 250 ml Wasser fein pürieren und in eine große Schüssel geben.
- Pfeffer zusammen mit Senfsamen, Ingwerpulver, Kardamom und Muskatblüte fein mörsern, Petersilie sehr fein hacken. Zusammen mit der Zitronenschale unter die Tofumasse rühren.
- Seitanfix mit Guarkernmehl vermengen und nach und nach unter die Tofumasse heben. Gut vermischen, dabei aber nicht zu stark kneten. Der Teig sollte sehr weich sein und sich leicht anfühlen. Ist er zu fest, vorsichtig mehr Wasser unterheben.
- „Brät“ in acht ca. 90 g schwere Stücke teilen und jeweils mit befeuchteten Händen zu Würsten formen.
- Jede Wurst fest in ein ca. 20 x 20 cm großes Stück Mulltuch einwickeln und die Enden fest mit Wurstgarn verknoten.
- Vegane Weißwürste in einen Dämpfaufsatz geben und 30 Minuten bei niedriger bis mittlerer Hitze garen.
- Heiß mit süßem Senf und Brezeln servieren.
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165 Kommentare
Erstmal danke für das super Rezept, habe sie heute zum ersten Mal versucht und geschmeckt haben sie ausgezeichnet! Leider sind sie mir aber total am Tuch hängen geblieben. Habt ihr eine Idee woran das liegen könnte? Anhand der übrigen Kommentare scheint es normalerweise nicht zu passieren.
Hi!
Dass die Würstchen hängenbleiben, haben wir erst in letzter Zeit vermehrt als Rückmeldung bekommen. So richtig erklären können wir es uns aber auch nicht. Hast du eventuell recht grobes Mulltuch verwendet?
Liebe Grüße
Jörg