Diese vegane Harira, eine dicke Suppe aus Kichererbsen, Linsen, Tomaten und wirklich betörend duftenden Gewürzen bringt dir Marokko-Feeling auf den Teller.
Hallo, zur zweiten Ausgabe unserer „Tellerrand“-Reihe, in der wir mit Köchen und Köchinnen, Foodies, aber auch Leser:innen sprechen, um dir Geschichten, Traditionen und vor allem das Essen und die Esskultur anderer Kulturen näherzubringen.
Denn Essen ist für uns mehr, als sich nur den sprichwörtlichen Ranzen vollzuschlagen. In der Küche zu stehen, sich mit Rezepten und Zutaten auseinanderzusetzen, hat für uns auch immer etwas sehr Lehrreiches über die Gesellschaft und unser Zusammenleben.
Für unseren Leser Rachid, der in Düsseldorf geboren und aufgewachsen ist und sich selbst als den „rheinischen Marokkaner“ bezeichnet, ist die Harira eigentlich das inoffizielle Nationalgericht des Landes im Nordwesten Afrikas. Marokkos Landschaft und damit auch die Anbauregionen sind mit dem bewaldeten Atlasgebirge im Norden, mediterranem Klima im Nordwesten, Steppe und Wüstenausläufer im Osten und Atlantikküstengebiete im Südwesten extrem vielseitig. Und trotzdem steht das unglaublich aromatische Quasi-Crossover aus Tomatensuppe und Kichererbseneintopf für Rachid ein wenig für die Küche des ganzen Landes. „Die Harira ist im Grunde genommen einfach, schmeckt dabei aber raffiniert und, ja, einfach nach viel“, erzählt er. Auf die Frage „nach was genau“ hin kann oder vielmehr will er sich nicht festlegen. „Harira schmeckt einfach nach Harira.“ Nicht nach Tomatensuppe, auch wenn die Tomaten einen großen Stellenwert haben. Nicht einfach nach Linsensuppe, auch wenn Linsen und Kichererbsen fester Bestandteil sind. Wer wissen will, was das bedeutet, muss sie probieren. Alles klar Kumpel, das ist eine Einladung, die wir nicht ausschlagen können.
Der Suppen-Eintopf ist vor allem fester Bestandteil des Ramadan – nicht nur in Marokko, sondern auch in anderen Ländern des Maghreb. Er wird zu dieser Zeit zum Fastenbrechen Abends als Vorspeise oder auch als Frühstück serviert. Die Harira hat damit auch nicht nur einen religiösen, sondern auch einen hohen kulturellen, aber auch einen gesellschaftlichen Stellenwert. Die Fastenzeit vergleicht Rachid ein wenig mit Weihnachten. Familien kommen zusammen, unterhalten sich, essen miteinander. Mit dem Unterschied, dass es sozusagen einen Monat lang jeden Tag nach Sonnenuntergang ein regelrechtes Festgelage gibt, welches traditionell eben mit der Harira eingeleitet wird. Ganz ehrlich, ich hätte nichts dagegen, dass auch im Advent einzuführen. Nach einem ganzen Tag ohne Essen und Trinken geht die nahrhafte Suppe, zu der gerne auch Datteln serviert werden, eben gut runter. Sie gibt schnell Energie … sozusagen für die „richtigen“ Speisen, die der Harira folgen.
Doch bevor gegessen werden darf, wird erst einmal gefastet. Natürlich kennt Rachid die ungläubige Frage „Was? Nichtmal Wasser, Digger?“. Jetzt mal abgesehen davon, dass Muslime das seit Jahrhunderten so machen, in Regionen, die trockener und heißer sind, als Deutschland in ein paar Wochen Rekordsommer, geht es beim Ramadan nicht um Zwang, sondern um eine freiwillige Sache, erzählt er uns. Um eine Herausforderung an sich selbst, die zwar natürlich einem gewissen gesellschaftlichen Druck unterliegt, aber auch individuell ausgelegt werden kann. Außerdem sind ältere oder kranke Menschen, Schwangere oder auch Kinder davon ausgenommen. Und hey, nachdem die Sonne sich vom Acker gemacht hat, geht im Gegensatz zu anderen Fasten-Methoden ja wie beschrieben wieder alles. Für Rachid war es dabei eigentlich immer am schwierigsten, sich nicht bereits an der Suppe satt zu essen, er ist also sozusagen Harira-Ultra.
Aus dem Grund hat er bei den pre-corona jährlichen Familienbesuchen beinahe alle Ecken Marokkos nach der besten Harira abgeklappert. Denn die marokkanische Suppe kommt nicht nur an special occasions auf den Tisch, sie ist auch heißgeliebte Alltagsküche. Jede Familie hat sozusagen ihr eigenes Rezept und auch in marokkanischen Restaurants hat die Harira einen festen Platz, wobei deren Anzahl gerade in den Großstädten Marokkos immer weiter abnimmt, erzählt uns Rachid.
Die beste Harira hat er in Essaouira, einer ruhigen, malerischen Hafenstadt im Westen von Marrakesch in einer schmalen, unscheinbaren Gasse gegessen. Vor einem eigentlich unscheinbaren Wohnhaus mit blau bemalten Fensterläden steht dort ein winziger, einfach zusammengezimmerter Tisch mit ein paar kleinen türkis und blau gestrichenen Hockern. Nur ein Schild deutet mit der Aufschrift „La Soupe“ darauf hin, dass es hier etwas zu essen geben könnte. Der Koch? Ein älterer Herr, der die Suppe aus der eigenen Wohnküche heraus für gerade mal drei Dirham, umgerechnet aktuell knappe 30 Cent, verkauft und bei dem man eventuell mehr als einmal klingeln muss, wenn er Fussball schaut und dabei den Fernseher auf volle Pulle Lautstärke stellt. Wie viel dabei alleine die Story, das Erlebnis und das Ambiente mit ins Qualitätsurteil zählt, ist Rachid egal und das verstehe ich voll und ganz. Ich war nicht dabei und behaupte ab sofort einfach auch, dass es genau dort die beste Harira der Welt gibt. Die zweitbeste ist Rachids, das sagt er leicht schmunzelnd, aber auch mit einer gewissen Portion Stolz, weshalb wir uns riesig freuen, dass er sein Rezept mit uns und unseren Leser:innen teilt. Und seine Fotos vom besten Harira-Laden in Marrakesch.
Wie Rachid seine Harira zubereitet
Okay, wenn wir ganz ehrlich sind, kochen wir das Rezept von Rachids Mutter. Welches er jedoch vegan angepasst – klassisch wird sie mit Fleischeinlage gekocht – und schlussendlich eben auch aufgeschrieben hat. Seine Mum kocht nämlich ausschließlich so rein nach Gefühl und er versucht aktuell, so Familienrezepte aufzuzeichnen.
Abgesehen von Zwiebeln und Knoblauch sozusagen als „Standard-Aromaten“ kommt Knollensellerie in Rachids Harira. Den Sellerie schneidet er in nicht zu kleine Stücke, das Gemüse bringt so nicht nur ordentlich Geschmack an die Suppe, sondern dient auch als „Fleischersatz“, damit man auch etwas zu kauen hat, wie er uns erzählt. Und jaaa, das funktioniert sowas von gut, selten hat die Knolle besser geschmeckt.
Das Gemüse wird kurz in Olivenöl angeschwitzt, dann kommen gekochte Kichererbsen und braune oder Pardina-Linsen mit in den Topf. Die Linsen müssen weder eingeweicht, noch vorgekocht werden, sie garen auch in der regulären Kochzeit.
Jetzt kommt das Wichtigste, die Gewürze. Schwarzer Pfeffer, Chili- und Ingwerpulver sorgen für Wärme – keine Sorge, das Endergebnis ist trotzdem relativ mild. Eine kleine Prise Safran für die intensive Farbe und einen dezenten blumigen Geschmack. Zusammen mit Tomatenmark wird die Gewürzmischung kurz im Topf mit angeschwitzt, dann wird alles mit Wasser aufgegossen und darf zusammen mit einer Prise Salz etwa 20 Minuten köcheln.
Währenddessen werden ein paar Esslöffel Mehl klümpchenfrei mit Wasser verrührt und anschließend mit pürierten Tomaten und frischer Petersilie und Koriander vermischt. Besonders an Rachids Rezept ist der Schwarzkümmel. Dieser hat eine frische, zitronige Note. Hast du keinen, kannst du aber auch gemahlenen Kreuzkümmel verwenden. Die Gewürze sind zwar eigentlich nicht miteinander verwandt, ähneln sich geschmacklich trotzdem.
Sind die Linsen weich, kommt die angerührte Mehl-Pampe unter ständigem Rühren nach und nach zur Harira, welche dann ein paar entspannte Minuten bei niedriger Hitze leicht eindicken darf. Die Konsistenz ist Rachid besonders wichtig. Es darf in Chili-sin-Carne-Richtung gehen, Wandfarbe (keine Ahnung, warum ich bei unserem Gespräch auf den wenig appetitlichen Vergleich kam) wäre etwas zu dick. Man kann sich aber ganz einfach mit der Zugabe von Wasser oder etwas mehr in Wasser verrührtes Mehl herantasten.
Serviert wird die Harira mit Zitronenspalten. Wer mag, haut sich noch etwas mehr Kümmel on top. Datteln passen als süßer Kontrast zur herzhaften, säuerlich abgeschmeckten Suppe super als zusätzliches Fingerfood.
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Vegane Harira – die marokkanische Kichererbsensuppe, die auch als Eintopf durchgehen könnte
- 1 Zwiebel
- 100 g Knollensellerie
- 2 EL Olivenöl
- 240 g gekochte Kichererbsen
- 125 g braune Linsen oder grüne Linsen, getrocknet
- 1 EL Tomatenmark
- 1 ½ TL Salz
- ½ TL schwarzer Pfeffer gemahlen
- ½ TL Chilipulver
- 1 Msp Safran
- ½ EL Ingwerpulver
- 45 g Mehl
- 10 g Petersilie
- 15 g Koriander
- 400 g passierte Tomaten oder pürierte geschälte Tomaten
- ½ EL Schwarzkümmel oder Kreuzkümmel, gemörsert
Außerdem
- ½ Zitrone in Spalten geschnitten
- Zwiebel fein würfeln, Sellerie in mundgerechte Stücke schneiden. Olivenöl in einen heißen Topf geben, Zwiebeln bei mittlerer Hitze 2 Minuten anschwitzen.
- Sellerie, Kichererbsen und Linsen mit in den Topf geben. Tomatenmark, Salz und die Gewürze außer dem Schwarzkümmel dazugeben und kurz unter Rühren rösten. Mit 1,5 l Wasser aufgießen, aufkochen und 20 Minuten mit aufgelegtem Deckel bei niedriger bis mittlerer Hitze köcheln lassen.
- Währenddessen Mehl mit etwa 50 ml kaltem Wasser mit dem Schneebesen verrühren, bis keine Klümpchen mehr vorhanden sind. Petersilie und Koriander grob hacken und zusammen mit den gehackten Tomaten und dem Kümmel unter die Mehlmischung rühren.
- Wenn die Linsen weich sind, Hitze auf niedrige Stufe schalten und unter ständigem Rühren die Mehl-Tomaten-Mischung in den Topf geben. Leicht andicken lassen, dabei häufig umrühren. Die Harira sollte in etwa die Konsistenz eines guten Chili sin Carne haben, darf dabei aber etwas flüssiger sein. Wird die Suppe zu dick, etwas Wasser dazugeben.
- Bei Bedarf mit Salz abschmecken und mit Zitronenspalten und eventuell etwas mehr gemahlenem Kümmel servieren.
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59 Kommentare
Helloooo
Harira hab ich schon oft gegessen/ probiert, denn jedes Mal war Fleisch drin. Als Veggie isses manchmal halt nicht so einfach..
Jetzt koch ich sie halt einfach selbst! Oder ich muss mich bei Rachid nach Düsseldorf einladen, von Köln ist’s ja nicht so weit. Oder beides.
Hab nur rote Linsen da, gehen die Konsistenzmäßig klar? Oder sollen es auf jeden Fall die anderen sein (die stehen dann bestimmt wieder ewig bei mir rum, außer ich starte ’nen Suppen-Marathon).
Merci. Fleur
Hallo Fleur,
rote Linsen sind im Endeffekt geschälte braune Linsen. Da ihnen die Schale fehlt, lösen sie sich beim Garen mehr oder weniger auf. Die Harira würde so ziemlich dick und es fehlt eben der Biss. Mit braunen oder grünen Linsen kann man aber noch viel mehr machen, z. B. Linsen und Spätzle. 🙂
Liebe Grüße
Jörg