Mock Duck. Alle lieben die blauen Dosen mit roter Schrift aus dem Asialaden, einen der „OGs“ der Fleischersatzprodukte schlechthin. Besser ist die vegane Veräppelungs-Ente nur selbst gemacht – aus Seitan und Kichererbsen.
Wir Pflanzenfresser haben mittlerweile eigentlich wenig zu meckern, wenn es um klassisches Feiertagsessen geht. Also zumindest, wenn wir von der Selbstversorgung sprechen. Es gibt die vegane DIY-Weihnachtsgans im Ganzen (oder im „Gansen“? Ja, okay, ich werfe eine Münze in die Wortwitzkasse), gekaufte oder selbst gemachte Seitanbraten mit veganer Bacon-Kruste aus Reispapier, als klassischer Sauerbraten oder gefüllt mit Maronen und Champignons. Hey, die Auswahl könnte um einiges weniger appetitlich klingen.
Für viele, zumindest in unserem Umfeld, geht Weihnachten jedoch nicht ohne eine Zutat: Mock Duck. Ein Klassiker unter den Fleischersatzprodukten, quasi ein absoluter O.G. Mock Duck hat sich bei vielen als größter gemeinsamer Nenner eines häufig zwangsläufigen omni-veganen Gemischtwarenhaushalts entpuppt: Die Verarschungs-Ente schmeckt dem Veganer, zaubert aber auch den Fleischessern ein bewunderndes Augenbrauenlupfen in die Stirnfalten und lässt somit das Weglassen der echten Ente zum tierleidfreien Bonus-Weihnachtsgeschenk werden. Und das seit … ja, man kann sagen seit Jahrzehnten.
Für viele, uns eingeschlossen, bedeutete die Entdeckung von Mock Duck im Asialaden vor mittlerweile mindestens 16, 17 Jahren endlich wieder Weihnachtsessen ohne den mal mehr, mal weniger diplomatisch ausgetragenen Streit darum, ob man nun ein größeres Anrecht auf die auf den Tischrand gestellten Beilagen hat, weil man ja sonst nix vom weder vegetarischen noch veganen Mittelpunkt des Menüs essen kann.
Müsste ich wetten, würde ich tippen, dass etwa 98,7528 % all derer, die diesen Text hier gerade lesen, die blauen Dosen mit den roten Schriftzeichen kennen, der Anteil jener, die das Zeug zumindest mindestens probiert haben, dürfte nur knappe 2,4972 Prozentpunkte darunter liegen.
Aber nicht alle möchten für die Feiertage einen Palettenvorrat im Stamm-Asialaden reservieren oder sich wahlweise am 23.12. vor der Tür desselben um die letzte Dose prügeln, um dann Hausverbot zu kassieren (Pro-Tipp: Das Fahrradschloss als angedrohte Waffe und ein leicht irrer Blick wirkt Wunder). Vielleicht liegt’s an einer Skepsis gegenüber den irgendwie-nie-bio-Rohstoffen (das hören wir immer mal wieder, *hust* Nadines Mum *hust*), an der Haushaltskasse, die bei vielen 2022 aus verständlichen Gründen etwas genauer beäugt wird oder schlicht an der Lust und Freude daran, selbst eher die Hand ans Weihnachtsessen für die Familie zu legen als nur den Dosenöffner. Deshalb heißt es heute „back to basics“. Aber eben auch ein wenig „to infinity and beyond“, wir machen die Mock Duck für das klassischste unserer Weihnachtsessen selbst.
Dafür nehmen wir das beliebte und bewährte Rezept für unseren Chicken-Style-Seitan als Basis her und passen es an, um die dunkle Farbe, den besonderen, kräftigen, umamireichen Geschmack, aber auch die im Vergleich zum Fake-Hühnchen saftigere, zartere Konsistenz zu bekommen, die sonst aus der Dose ploppt.
Für das Aroma sind hauptsächlich zwei Zutaten zuständig. Chinesischer schwarzer Reisessig, den ihr vielleicht aus unserem Rezept für Tofu Kung Pao kennt und ein weiterer Klassiker in vielen Vorrats- und Kühlschränken aller Generationen: Grafschafter Goldsaft. Der dunkle, goldbraune Zuckerrübensirup im ikonischen gelben Becher wird seit über 127 Jahren in der Grafschafter Krautfabrik im Rheinland aus Zuckerrüben gepresst, die auch noch nach wie vor in der Region angebaut und jedes Jahr ab Oktober geerntet und ohne Zugabe von Zusatz-, Konservierungs- oder Farbstoffen zu dem Zuckerrübensirup verarbeitet werden, den sich auch schon die Oma auf die Stulle geschmiert hat.
Der malzige Sirup schmeckt nicht nur würzig-süß, er enthält auch relativ viel Eisen (je nach Witterung mal mehr, mal weniger, weshalb Grafschafter den Gehalt nicht auf das Packaging schreibt, denn da dürfen nur exakte Werte stehen – Lebensmittelrecht und so), welches ein dezentes, mineralisch-metallisches Aroma mit sich bringt, welches leicht an Fleischgeschmack erinnert. Den „Trick“ kennen Stammleser beispielsweise bereits von unserer veganen Leberwurst.
Zusammen mit dem fermentierten, ebenfalls malzig, aber auch etwas rauchig schmeckenden dunklen Reisessig, Sojasauce und Fünf-Gewürze-Pulver, welches praktischerweise aus typischen Weihnachtsgewürzen wie Sternanis, Zimt und Nelken besteht, gibt der Sirup der Seitanmasse nicht nur die typische, dunkelbeige Farbe, sondern auch den warmen, würzigen Geschmack, den Mock Duck ausmacht und eben für Frieden am Weihnachtstisch sorgt. Zumindest, solange niemand kauenden Mundes eines der aktuell gefühlt Abertausend verschiedenen möglichen Stimmungskiller-Themen auspackt. Wir überlegen gerade, ob wir dieses Jahr direkt an der Wohnungstür Verträge unterschreiben lassen, mit untersagten Schlagworten. „Du hast WM gesagt? Zack, Fuffi in die Spendenkasse.“
Damit sich der Seitan dann auch in die typischen Stücke „zupfen“ lässt, rühren wir ihn nicht nur mit Wasser an, sondern mit einem Mix aus gekochten Kichererbsen, deren Aquafaba für die Würze und Rote-Bete-Saft für eine authentische Farbe. Die in den Kichererbsen enthaltene Stärke lockert die Glutenverbindungen auf, das macht den Seitan zarter und saftiger. Netter ernährungsphysiologischer Nebeneffekt: das in den Hülsenfrüchten enthaltene Lysin vervollständigt dabei das Aminosäureprofil des Seitans. Mehr dazu könnt ihr in unserem Seitan-Special lesen.
Kommen wir zum Elefanten im Raum. Ganz typisch für Mock Duck ist die typische „Gänsehaut“-Struktur. Wir haben uns den Kopf darüber zerbrochen, wie wir die hinbekommen, die Lösung war dann ganz einfach: Wir dämpfen den gut gekneteten, geformten rohen Seitan einfach in einem ganz normalen Küchensieb, welches wir in unseren größten Kochtopf hängen. Das Edelstahlnetz hinterlässt dann die typische Struktur, die man bei Mock Duck einfach nicht missen möchte.
Wie es ganz klassisch für unsere Seitan-Rezepte ist, lassen wir das Ganze nach der Zubereitung über Nacht im Kühlschrank ruhen. Dabei festigt sich die Textur, so vermeidet man, dass der Seitan entweder gummiartig oder auf der anderen Seite des Biss-Spektrums schwammig wird. Dazu packen wir ihn direkt heiß aus dem Dampf in eine luftdicht verschließbare Vorratsdose oder einen Zip-Beutel, der sich natürlich mehrfach verwenden lässt und marinieren ihn zusätzlich mit etwas mehr Sojasauce, Grafschafter Goldsaft und etwas Liquid Smoke für die extrarauchige Note. Die Zwangspause macht es euch auch möglich, das Weihnachtsessen auf Etappen vorzubereiten, um am eigentlichen Tag des Dinners entspannt in der Küche damit angeben zu können, dass ihr alles im Griff habt.
Bevor die vegane Ente dann in die Pfanne wandert, wird unsere selbst gemachte Mock Duck in mundgerechte Stücke gezupft. Am einfachsten geht das, indem der Seitan leicht mit dem Messer eingeritzt und dann gerupft wird. So bilden sich die ebenfalls von den Dosen bekannten „Fasern“. Profis legen diese Stücke dann erneut für kurze Zeit in die übrige Marinade, in der Pfanne braucht die DIY Mock Duck dann nur noch etwa 3–4 Minuten pro Seite und kommt dann zusammen mit Apfel-Rotkohl, Fondant-Kartoffeln (das Rezept folgt am Donnerstag) und selbstverständlich unserer veganen Bratensauce auf den omni-veganen, aber eben geliebten Gemischtwarentisch.
Selbst gemachte Mock Duck
Für die selbst gemachte Mock Duck
- 125 g gekochte Kichererbsen
- 1 EL Hefeflocken
- 5 g Salz
- 3 EL Sojasauce
- 3 EL chinesischer schwarzer Essig
- 2 EL Rapsöl
- 2 EL Grafschafter Goldsaft
- 2 TL Zwiebelpulver
- 1 TL weißer Pfeffer fein gemahlen
- 1 TL Knoblauchpulver
- 1 TL Salbei
- 1 TL Majoran
- ¾ TL Fünf-Gewürze-Pulver
- 65 ml Rote-Bete-Saft
- 150 ml Aquafaba
- 215 g Seitan-Fix
Für die Marinade
- 2 EL Sojasauce
- ½ EL Grafschafter Goldsaft
- 2 EL Rapsöl
- ½ TL Paprikapulver
- ¼ TL Liquid Smoke
- Kichererbsen sehr gut abtropfen lassen und zusammen mit allen anderen Zutaten für die selbst gemachte Mock Duck außer dem Seitan-Fix fein pürieren.
- Seitan-Fix in eine ausreichend großen Schüssel geben, die pürierte Flüssigkeit dazu geben, kurz vermengen und von Hand oder mit Hilfe der Küchenmaschine 15 Minuten kräftig verkneten, sodass sich sichtbare Glutenstränge bilden.
- Teig abgedeckt mindestens 30 Minuten ruhen lassen, anschließend halbieren. Die Teiglinge auf der Arbeitsfläche so gut es geht flach drücken und fest zu Laiben aufrollen. Ähnlich wie bei Brotteig. Die Seitanrollen erneut etwa 15–20 Minuten abgedeckt ruhen lassen und anschließend eventuell zurückgebliebene „Nähte“ verschließen. Dazu einfach mit den Fingern kräftig zusammenkneifen.
- Etwas Wasser in einem großen Topf zum Kochen bringen. Den rohen Seitan mit der schönen Seite nach unten kräftig in ein Küchensieb pressen und in den Kochtopf hängen. Dazu kann, je nach Topfgröße, eine feuerfeste Schale unten in den Topf gelegt werden, sodass der Seitan nicht direkt mit dem Wasser in Berührung kommt. Je nach Größe und Dicke des Seitans 45–60 Minuten dämpfen. Beim leichten Druck auf den Teig sollte er sich in etwa so fest anfühlen wie der eigene Handballen.
- Währenddessen alle Zutaten für die Marinade verrühren. Nach Ende der Garzeit den noch heißen Seitan direkt in die Marinade legen, komplett abkühlen und über Nacht im Kühlschrank ruhen lassen.
- Mock Duck in etwa 3–5 cm große Stücke zupfen, dafür bei Bedarf den Seitan leicht mit dem Messer einritzen und an den Schnittstellen rupfen. Optional können die Stücke bis zur Zubereitung erneut in die übrige Marinade gelegt werden.
- Zum Anbraten etwas Öl in eine heiße Pfanne geben und die Stücke bei mittlerer bis hoher Hitze etwa 3–5 Minuten pro Seite goldbraun braten.
Tipps
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Werbung! Dieser Beitrag wurde von Grafschafter Krautfabrik Josef Schmitz KG unterstützt. Gesponserte Beiträge helfen uns dabei, regelmäßig neue Rezepte für unsere Leser zu kreieren, Inhalte spiegeln aber immer unsere eigene Meinung wider. Danke, Grafschafter und Danke, dass du Produkte und Marken unterstützt, die Eat this! supporten.
70 Kommentare
Ich hab heute nur die Marinade zur fertigen Mockduck aus dem Asialaden zu Laugenknödeln und Rotkohl gemacht. Geschmacklich ein absoluter Traum. Aber habt ihr eine Idee, wie man aus der Marinade und der Mockduck noch mehr Soße bekommen könnte? Wasser und Meisstärke wäre meine erste Idee, aber wahrscheinlich verwässert es dann zu doll.
Vielen Dank auf jeden Fall für das tolle Rezept!!
Hi Lucas,
vielen Dank für das tolle Feedback!
Wir haben auch schon aus der Flüssigkeit der Mock-Duck-Dosen eine Art „Billo-Quick-&-Dirty-Bratensauce“ gemacht, indem wir etwas Brühe aufgegossen und ordentlich nachgewürzt haben. Eine Kombi aus der Flüssigkeit und der Marinade kommt dem ja eigentlich schon recht nahe, also sollte deine Idee funktionieren. Etwas nachwürzen geht im Notfall ja immer. 🙂
Liebe Grüße
Jörg
Hallo ihr Lieben,
wir haben gestern eure Mock Duck für heute vorbereitet. Wir haben deutlich länger geknetet, bis der Teig so glatt und sehnig war wie bei euch. Sie lag über Nacht nun in der Marinade. Eben wurde sie dann zerrupft. Die Konsistenz an sich ist gut, aber trotzdem deutlich weniger sehnig als bei euch (bzw. Ist die struktur weniger in eine Richtung gerichtet, falls ihr wisst was ich meine). Zudem ist sie von innen rosa und nicht braun wie bei euch. Woran kann das liegen? 🙂
Danke für das Rezept! Gleich wird gebraten!
LG Anna
Hi Anna,
wenn der Teig innen rosa ist und sich nicht gut zupfen lässt, deutet das darauf hin, dass er noch nicht ganz gar war. Der Farbstoff der Roten Bete geht beim Erhitzen in die rot-bräunliche Richtung, deshalb funktioniert der Hinweis auch hier beim Fake-Fleisch. 🙂
Liebe Grüße
Jörg
Sehr lecker!!! Aufwändig und absolut die Mühe wert.
Ich war In Melbourne mal in ‘nem veganen Restaurant und da wurde die “mock duck” als “fake duck” oder einfach nur als “f***” bezeichnet 😂
Ich wünsch Euch frohe und gesunde Feiertage!
Stand die „f***“ auch so in der Speisekarte? 😅
Danke dir vielmals für dein Feedback. Klar, etwas Arbeit macht die DIY-Version, aber man kann glücklicherweise ja eine große Menge auf einmal vorbereiten. 🙂
Liebe Grüße
Jörg
Hallo Ihr,
Ich bin gerade am verzweifeln mit dem Dünsten. Bis hier hin hat alles gut geklappt. Jetzt habe ich in einem Topf Wasser heiß gemacht, mit einem Sieb den Seiten darüber gehangen und Deckel drauf.
Leider wird der Seitan nicht fest. Er ist nach einer Stunde immer noch total labberig. Was kann ich nur falsch gemacht haben? Ohne Deckel oder mit Deckel dünsten? Muss das Wasser noch kochen- oder nicht?
Über Tipps würde ich mich sehr freuen.
vielen Dank
Beate
Hallo Beate,
das Wasser muss zum Dämpfen noch kochen, ja, sonst entsteht der notwendige Dampf ja nicht. Dabei ist es dann wichtig, dass der Deckel zumindest einigermaßen schließt. Klar, dicht wird das durch das eingehängte Sieb nicht, der Topf sollte aber natürlich auch nicht halb offen stehen. 🙂
Liebe Grüße
Jörg
hey,
kann man in ermangelung eines mixers auch einfach hummus ohne gewürz verwenden? oder stören sesam und zitrone das rezept?
lg, caro
Hi Caro,
fertige Hummus…e (wie lautet die Mehrzahl von Hummus?) kommen ja ganz gerne mal in unterschiedlichen Konsistenzen. Ich kann dir auch beim besten Willen nicht sagen, inwieweit das Tahin die Struktur vom Seitan verändern würde. Wenn es irgendwie geht, solltest du wie beschrieben mit den Kichererbsen arbeiten. Mit etwas Geduld klappt das auch mit dem Pürierstab. Falls du es mit Hummus ausprobierst, gib gerne Bescheid, ob es funktioniert hat, würde mich interessieren. 😊
Liebe Grüße
Jörg
Da ich Weihnachten arbeiten musste, habe ich meiner Familie versprochen, wir holen das Essen an Silvester nach. Gleich nachdem euer Mock Duck Rezept online war, gabs ein einstimmiges „das da“. Leider habe ich nirgendwo schwarzen Reisessig bekommen. Selbst meine Amazon Bestellung ist schief gelaufen. Hab stattdessen weißen Reisessig geschickt bekommen 😞. Alternativ ist es dann japanischer Essig aus ungeschältem Reis geworden (Genmai Su). Keine Ahnung ob das in ungefähr so hinkommt aber geschmeckt hat es und das letzte Stück wurde brüderlich aufgeteilt. Es ist alles ratzeputzeweg. Es wurden direkt am Abendbrottisch schon Pläne geschmiedet wo die Mock Duck noch drauf passt (Pizza, Baguette, ect.). Sprich, ich muss neue machen 😂.
Dank der besten veganen Bratensauce, Rotkraut, Knödel und Wallnuss Pannacotta sitzen jetzt alle gut gesättigt und breitgrinsend am Tisch. Danke für Eure Mühe und die unglaublich leckeren Rezepte. Mit Euch fällt vegan leben wirklich leicht.
Hi Emily,
vielen lieben Dank für das klasse Feedback. Freut uns wirklich sehr. Der schwarze Reisessig schmeckt eben derber, intensiver, fast schon etwas rauchig. Also falls du ihn findest, probier‘ das Rezept gerne auch noch mal damit. Auf Pizza funktioniert übrigens mehr als gut, wurde schon getestet. 😅
Liebe Grüße
Jörg
Das Rezept klingt sehr interessant und ich werde es gleich mal ausprobieren. Allerdings frage ich mich gerade, wieso ich die „Kichererbsen sehr gut abtropfen lassen“ sollte, wenn sie anschließend eh zusammen mit dem Aquafaba püriert werden?
Hi Jacob,
das machen wir, um den Flüssigkeitsanteil genau steuern zu können. 🙂
Liebe Grüße
Jörg