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Messer schleifen … Methoden für Anfänger bis Fortgeschrittene

Messer schleifen … Methoden für Anfänger bis Fortgeschrittene

Schnappt euch eine (große) Tasse Kaffee oder Tee, der Onkel hat euch was zum Thema Messer schleifen zu erzählen. Wir schauen uns verschiedene Methoden, sowohl für Anfänger als auch Fortgeschrittene an. Beim letzten Schluck und an der letzten Zeile angekommen wisst ihr hoffentlich, wie ihr euer Lieblingsmesser wieder scharf bekommt.

2019, also quasi vor Urzeiten, habe ich in meinem Beitrag „Diese Messer brauchst du in der veganen Küche“ gefragt, ob unsere Leserinnen und Leser Interesse an einem Text dazu interessiert wären, wie man die neu erstandenen Lieblingsmesser auch scharf hält. In guter alter Tradition reiche ich den jetzt mit sehr viel Verspätung endlich nach.

„Scharfe Messer sind sichere Messer“. Klingt wie ein Spruch auf einem mehr oder minder dekorativen Kühlschrankmagneten, ist aber wahr. Ein scharfes Messer gleitet durch Lebensmittel, anstatt davon ab- und auf die Finger draufzurutschen. Ein scharfes Messer schneidet auch herausfordernde Gemüsesorten (hust Kürbis). Und schlussendlich sind versehentliche kleine Verletzungen eines scharfen Messers einfacher zu verarzten und heilen auch schneller als eine Wunde, die eine stumpfe, reißende Klinge verursachen würde. Ohne jegliche medizinische Kenntnis vermute ich außerdem, dass ein wirklich komplett, aber glatt und sauber abgetrennter Finger auch um einiges einfacher wieder anzunähen ist. Sorry für den Splatter-Film im Kopfkino.

Aber wie hält man diese Messer scharf? Auch, wenn man gerade nicht das achtundneunzigste Hobby sucht. Ehrlicherweise kann das Thema Messer schleifen in manchen Kreisen (hust männliche Hobbyköche, deren tausende Euro teure Messersammlung nur zwei Mal in der Woche eine Karotte zu sehen bekommt) regelrecht ausarten. Diese Frage beantworte ich in diesem Beitrag … ich versuche es zumindest.

Um transparent zu bleiben: Einige der abgebildeten Geräte wurden uns zugesendet. Allerdings immer unverbindlich. Alles, was ich schreibe, spiegelt nur unsere eigene Meinung wider.

Was macht ein scharfes Messer aus? Der Theorie-Teil.

Bevor wir uns um das Wie kümmern, sollte ich kurz erklären, was ein scharfes Messer ausmacht und was beim Schleifen und Schärfen passiert. Und warum Schleifen und Schärfen genau genommen zwei unterschiedliche Dinge sind.

Ein Küchenmesser besteht in der Regel aus Stahl. Der ist mal mehr, mal weniger hart, aber weicher als Stein, Diamant oder mineralische Kompositmaterialien, aus denen die meisten Schleifmittel bestehen.

Die Klinge aus diesem Stahl wird bei der Herstellung des Messers so verarbeitet, dass sie vom meist etwas dickeren, stabileren Rücken des Messers zur Schneide, der sogenannten Sekundärfase dünn zuläuft. In der Regel ist an dieser der sogenannte Schneidewinkel angebracht. Der wiederum ist dann dafür verantwortlich, dass das Messer schneidet.

Da im Regelfall beide Seiten der Klinge im gleichen Winkel geschliffen werden, spricht man vom Schleifwinkel einer der Seiten, also beispielsweise von 18°, was einem Schneidewinkel von 36° entspricht. Über diese idealen Winkel wird gerne gestritten, die Zahl wird fast zum Mythos gemacht. Die Aussage „irgendwas zwischen 15° und 18° pro Seite ist 👌“ trifft jedoch auf die meisten Küchenmesser – und Menschen – zu. Eigentlich auch auf viele anderen alltäglichen Klingen wie Taschenmesser, nicht jedoch beispielsweise auf Scheren, die im Regelfall mit einem stumpferen Winkel geschliffen werden, damit sie über lange Zeit stabil bleiben.

Wie findet man den Schleifwinkel eines Messers heraus?

Am einfachsten ist es immer, einen bereits geschliffenen Winkel nachzuschleifen, diesen also zu pflegen. Es gibt Werkzeuge, sogenannte Goniometer, mit denen ein bereits angebrachter Schleifwinkel gemessen werden kann. Wer hat eines? Ah ja, dachte ich mir, ich nämlich auch nicht. Bei Messern von größeren Herstellern ist es gar keine so blöde Idee, Google nach dem Schleif- oder Schneidewinkel zu fragen, da diese, wenn nicht ohnehin maschinell, zumindest hoch standardisiert ab Werk geschliffen werden.

Die beiden vermutlich weltweit größten Hersteller von Küchenmessern Zwilling und Wüsthof geben für ihre europäischen Messer (das sind im Regelfall die der Standardserien) einen Schleifwinkel von 15° an. Die japanischen Messerformen und Serien (z. B. Miyabi bei Zwilling) werden ab Werk mit 10° geschliffen. Diese Winkel müssen nicht beibehalten werden, können aber als Referenz dienen. Tatsächlich sind die 10° stark übertrieben, aber dazu kommen wir noch.

Bei Messern, bei denen man den Schleifwinkel nicht kennt, kann man sich mit einem Trick behelfen. Dazu wird die Sekundärfase, also die Schneide selbst, über die gesamte Länge mit einem wasserfesten Stift markiert. Dann fängt man an, mit wenig Druck in einem Winkel zu schleifen, von dem man meint, dass er einigermaßen passen könnte – das ist reine Gefühlssache. Wird zu flach geschliffen, trägt sich die Farbe am Messerrücken ab, bleibt aber an der Schneidkante stehen. Wird zu steil geschliffen, wird die Farbe umgekehrt an der Schneidkante entfernt, bleibt aber Abtrag zu den Messerflanken hin stehen.

Was beim eigentlichen Messer schleifen passiert

Beim eigentlichen Schleifen wird die Messerklinge abwechselnd auf beiden Seiten im möglichst immer gleichen ausgesuchten Winkel über das Schleifmedium bewegt. Dabei wird jedes Mal eine kleine Menge vom Metall abgetragen. Das führt dazu, dass eine minimal abgerundete und deshalb stumpfe Schneide wieder spitz und scharf wird. Je nachdem, wie stumpf das Messer vorher war, beginnt man beim Vorschliff mit einem groben Stein. Der trägt vergleichsweise viel Material ab. Je nach Grobheit können damit auch Defekte wie kleinere Ausbrüche repariert werden. Danach geht es – je nach Lust, Ausstattung, Geschmack und Messer – über in ein oder mehrere feinere Steine für den Hauptschliff bis hin zur Politur oder den Feinschliff. Die Grob- oder eben Feinheit eines Steins wird meist über eine Zahl kategorisiert, die die sogenannte „Körnung“ beziffert. Je niedriger, desto grober.

Was beim Schleifen eines Messers passiert

An der Stelle muss ich kurz detaillierter werden, da es später bei den Schleifmethoden wichtig wird. An einen vorgegebenen, sehr flachen Winkel kann man einen zusätzlichen winzig kleinen und etwas stumpferen anschleifen. Das nennt man dann Mikrofase. Also beispielsweise an ein Messer mit den erwähnten, werksseitig angeschliffenen 10° pro Seite eine mit je 18°. Das macht das Messer in der Theorie minimal stumpfer (in der Praxis merkt das kein Mensch), die Schärfe aber um einiges stabiler, man muss also weniger häufig nachschärfen.

Wenn gleichzeitig nur eine Seite geschliffen wird – und so ist das bei den meisten Schleifmethoden – schiebt sich etwas vom abgetragenen Metall der Klinge über den Scheitelpunkt hinaus und wölbt sich auf die andere Seite. Das ist der sogenannte „Grat“. Wird der nicht entfernt, faltet er sich wie eine Art Draht hin und her und lässt das eigentlich frisch geschliffene Messer stumpf wirken.

Während beim Schleifen selbst die Klinge mit etwas Druck in beiden Richtungen über das Schleifmittel, also beispielsweise den Schleifstein gleitet, wird sie, um den Grat zu reduzieren und schlussendlich auch zu entfernen, mit wenig Druck, viel Feingefühl, also langsam und vorsichtig gegen die Klinge, also in Schnittrichtung über den feinsten verwendeten Stein geführt. Dabei wird die Seite bei jedem Mal gewechselt, um den Grat gleichmäßig zu reduzieren. Bei harten Klingen und einem feinen letzten Stein reicht das häufig aus. Das Messer kann final aber noch – diesmal wieder gegen die Schnittrichtung – leicht über andere Materialien gezogen werden. Vielleicht habt ihr den Begriff „Abziehleder“ gehört – vegan funktioniert das aber auch mit gespanntem Jeansstoff, einfachem, nicht zu dünnen Karton oder sogar Zeitungspapier. Dabei sollte sich dann auch der letzte, drahtige Rest des Grats lösen. Dieser Schritt kann dann auch mehrmals in der Woche oder sogar vor jedem Kochen passieren, so bleibt das Messer schlussendlich länger scharf.

Der Grat beim Messer schleifen

Welche ist die richtige Methode zum Messer schleifen?

Wie erwähnt, in diesem Beitrag soll es darum gehen, wie auch Leute, die sich kein neues Hobby zulegen wollen, ihre Messer in der eigenen Küche wieder auf die viel zitierte (und gar nicht mal so erstrebenswerte, weil wartungsintensive und ironischerweise teils stumpf wirkende) Rasiermesserschärfe bekommen können. Mit mehr oder weniger Platz- und Zeitaufwand, mit mehr oder weniger Budget und schlussendlich mit mehr oder weniger japanischen oder europäischen Messern.

Deshalb habe ich mir, anstatt sämtliche Methoden aufzulisten, lieber ein paar Szenarien oder Herangehensweisen überlegt, um das richtige Werkzeug auszusuchen.

Keine Lust, keinen Platz, kein Budget

Eigentlich müsste ich Schleifservices empfehlen. Der Scherenschleifer vor Ort kann vielleicht was, vielleicht aber auch nicht. Risky Business. Online gibt es ebenfalls Dienstleister, denen man in der Regel mindestens zweimal im Jahr die Messer schicken sollte, um langfristig Spaß damit zu haben. Mit Kosten von etwa 12 € pro Schliff und Messer kommt man damit einige Jahre günstig weg, wenn es wirklich nur um ein Messer geht. Aber man muss das oder die Messer wegschicken und wieder darauf warten (was auch dazu führt, dass aus dem einen Messer zwangsläufig zwei werden) und mit steigender Anzahl steigen auch die Ausgaben.

Für knappe 50 € boxt der ZWILLING V-Edge in einer Gewichtsklasse, in der er theoretisch gar nichts verloren hat. Sogenannte „Durchziehschleifer“ haben eigentlich keinen guten Ruf. Meist zieht man die Klinge durch metallene runde Walzen, welche den bereits erklärten Grat regelrecht abschneiden. Dabei können sie gerade bei empfindlichen Klingen Ausbrüche und Kratzer verursachen. Da mir zu denen keine Upcycling-Möglichkeit einfällt, bitte in die Tonne kloppen.

Im V-Edge hingegen sind zwei Schleifstäbe aus Keramik federgelagert v-förmig verbaut. Beim Durchziehen des Messers drücken sich diese ins Gehäuse und schärfen so beide Seiten der Klinge gleichzeitig im selben Winkel. Der ist vorgegeben und kann zwischen 15° pro Seite für „europäische“ Messer und 10° für „japanische“ gewählt werden. Die 10° sind aber auch für japanische Messer sehr steil (oder flach?), weshalb das Setting kaum empfehlenswert ist. Das ist auch mein größter Kritikpunkt am V-Edge. Trotzdem ist er sehr gut geeignet, um die Alltagsschärfe an noch nicht ganz stumpfen Messern zu erhalten, die bereits ungefähr mit 15° angeschliffen wurden … was auf viele Messer (nicht nur europäischer) Hersteller zutrifft. An Messern mit kleineren Schleifwinkeln bringt man damit die weiter oben erwähnte Mikrofase an.

Im Set dabei sind Schleifstäbe in zwei Feinheitsstufen für den Vorschliff und das Finish oder das schnelle Nachschärfen vor dem Kochen. Die reichen auch für die meisten Leute. Für größere Reparaturen ist der V-Edge nicht geeignet, aber wer keine Zeit und Muße hat, sich mit dem Messer schleifen näher zu beschäftigen, wird vermutlich auch nicht selbst versuchen, einen millimetergroßen Ausbruch zu reparieren.

Er ist sehr einfach zu bedienen, nimmt nur so viel Platz weg, wie ein etwas dickeres Kochbuch und ist für das, was er kann wirklich günstig. Nur die Winkelauswahl stört. 15° und 18° oder sogar 20° wären in der Praxis besser geeignet gewesen. Unsere Empfehlung hat er trotzdem.

Den ZWILLING V-Edge kann man beispielsweise hier kaufen.

Der kleinere SIMPLE Sharp vom Schleifmittel-Hersteller DMT ist kleiner, soll ähnlich gut funktionieren und hat einen sehr vernünftigen Schleifwinkel von 18° pro Seite. Außerdem kostet er im 2er-Set mit zwei unterschiedlich feinen Schleifsteinen ungefähr dasselbe, wie ein V-Edge.

Lust auf Handarbeit, Platz und Budget „flexibel“

Wetzsteine. Die klassischste Art, Messer zu schleifen. Die, zu denen wir die meisten Fragen bekommen haben und vermutlich auch die, die am meisten Ehrfurcht einflößt. Aber hey, schon Höhlenmenschen haben es geschafft, aus dem Boden gekratztes und anschließend platt geklopftes Metall so lange auf einem herumliegenden Stein hin und her zu reiben, bis es scharf ist, so kompliziert kann’s nicht sein.

Freihand zu schleifen ist für mich trotzdem beides: Gar nicht so schwer und doch herausfordernd. Schlussendlich geht es nur um das Muskelgedächtnis, denn auch bei Wetzsteinen ist einfach darauf zu achten, das Messer im möglichst immer gleichen Winkel mit etwas Druck über das Schleifmedium zu bewegen, die Seiten zu wechseln und den Grat zu entfernen. Um das zu lernen, gibt es kleine, günstige Hilfsmittel, wie diese Winkelhilfen aus Kunststoff (die Schleifhilfen kosten aktuell leider unverschämt viel, ich habe für das Set um die 10 € bezahlt). Die legt man auf den Wetzstein, setzt das Messer an, merkt sich den Winkel, schleift los und kontrolliert gelegentlich.

Anlegen eines Schleifwinkels mit Winkelhilfen

Ich will ehrlich sein: Das Schleifen von Hand auf Steinen ist schwierig zu erklären. Es gibt hochgelobte, stundenlange Videos dazu auf YouTube – für mich liegt es trotzdem an einer gewissen Tagesform, ob das Messer danach scharf ist oder ob ich 45 Minuten wie in Trance damit verbringe, wie so ein Höhlenmensch Metall auf Stein zu schrubben und danach feststelle, dass ich da gerade mein Lieblingsmesser zumindest temporär kaputtrepariert habe.

Aber es macht Spaß, es hat etwas von Therapie und Meditation und wie sagen wir Engländer so schön: „Your mileage may vary“. Heißt, auch wenn ich scheinbar nicht mehr Höhlenmensch genug bin, habe ich ein Herz für Stein.

Ein solcher Stein nimmt nicht viel Platz weg, vor allem, wenn er zwei Körnungen kombiniert. Der Suehiro New Cerax CR-3800 hat eine Seite mit einer 1000er-Körnung, die für das Nachschärfen nicht allzu stumpfer Messer gut geeignet ist und eine mit einer 3000er-Körnung für einen alltagstauglichen Feinschliff. Außerdem ist ein Schleifsteinhalter und ein Reinigungsstein enthalten, mit dem die Oberfläche aufgeraut und vom Schleifstaub gesäubert werden kann. Bei unserem Freund Lukas von Knife Art kostet er aktuell 69 €, mit dem Rabattcode eatthis5 spart ihr außerdem 5 %. Das gilt übrigens auf das gesamte Sortiment, beispielsweise auch auf unser neuestes Messer, das Knife Art Basic Bunka mit Teak-Griff, welches unter anderem im Titelbild des Beitrags zu sehen ist.

Suehiro New Cerax CR-3800
Der Suehiro New Cerax CR-3800 ist ein guter Wetzstein für Anfänger.

Dieser Stein oder diese Körnungen reichen für viele Messer und auch für die Anforderungen der meisten Hobby-Köchinnen und -Köchen aus. Wem das irgendwann jedoch nicht mehr reicht, kann allmählich erweitern. Beispielsweise um einen noch feineren Stein mit 5000er-Körnung oder einen groben für Reparaturen. Und falls sich doch noch das Hobby einschleicht, den 1000er für den Alltag gibt’s natürlich auch einzeln.

Die verlinkten Steine müssen alle vor dem Schleifen für etwa 10 Minuten in Wasser eingeweicht werden. Es gibt auch Steine, die nur, dafür mehrfach während des Schleifens mit Wasser benetzt werden müssen. Im Regelfall geben die einzuweichenden ein etwas besseres „Feedback“, beim Schleifen, zeigen den Fortschritt, aber auch Fehlhaltungen etwas besser durch eine Art Kratzgefühl auf.

Unterschwelliger Nerd, etwas Platz, überschaubares Budget

Was aussieht, wie eine Mischung aus Raketenabschussrampe und Folterinstrument (ich stelle mir etwas vor, wo Zehennägel involviert sind), ist das eines der flexibelsten Schleifsysteme überhaupt. Mit diesen Dingern kann man eigentlich fast alles machen, inklusive auch größerer Reparaturen und das Anschleifen neuer Winkel, mit Zubehör auch Scheren. Soweit ich weiß wurde das zugrunde liegende Prinzip von der amerikanischen Firma Edge Pro erfunden, mittlerweile jedoch mehrfach kopiert und dabei teils auch verbessert.

Auch wenn der Aufbau wirkt, als würde man einen Hochschulabschluss für die Bedienung benötigen, ist der Vorgang eigentlich recht schnell erklärt. Das Messer wird so auf die Auflage gelegt, dass die Klinge leicht am vorderen Rand übersteht. Am flexiblen, geführten Arm darüber werden kleine Schleifsteine befestigt, über die Höhe des Arms lässt sich mit Hilfe eines Winkelmessers der Schleifwinkel sehr genau einstellen. Der Schleifstein wird dann mit dem Arm ohne Druck hin und her über die Klinge bewegt, die so geführt wird, dass der Teil, der geschärft wird, immer grob in der Mitte der Auflage liegt. Dann wird das umgedreht und so weiter. Schließlich passiert dasselbe, wie beim Schleifen von Hand auf dem Wetzstein … nur über Kopf und kontrolliert geführt.

Eigentlich möchte ich keine Kaufempfehlungen für offensichtliche Kopien von Erfindungen aussprechen, hier mache ich eine Ausnahme, da das Preis-Leistungs-Verhältnis der originalen Edge Pro Systeme meiner Meinung nach leider indiskutabel sind. Diese Art von System mit Kunststoffauflage und Saugnapfbefestigung funktioniert relativ gut und ist mit etwa 45 € um einiges günstiger als das nicht viel besser verarbeitete „Original“. Allerdings ist es empfehlenswert, die mitgelieferten, grobschlächtigen Steine auszutauschen. Ich habe etwa dieses Set, welches mit zusätzlichen etwa 80 € zu Buche schlägt (und bedauerlicherweise häufig ausverkauft ist). Außerdem wird ein elektrischer Winkelmesser benötigt, um den Winkel auch wirklich korrekt einstellen zu können. Es gibt aber auch sehr hochwertige und schöne Ausführungen dieser Systeme, beispielsweise vom ukrainischen Hersteller Hapstone – aufgrund der aktuellen Lage sind die jedoch kaum zu bekommen.

Zum Schleifen wird dann der jeweils benutzte Stein in den Schleifarm eingespannt, die Klinge so auf die Ablage aufgelegt, dass sie nur knapp übersteht und der Stein mittig darauf platziert. Mit dem Winkelmesser kann dann der Winkel eingestellt werden, mit dem der Stein zur Klinge steht. Dieser Winkel wird mit einer Schraube arretiert, was dann bedeutet, dass der Winkel zu diesem Messer (oder Messern mit einer ähnlichen Form und Klingendicke) immer gleich bleibt. So ist es auch möglich, das eingestellte System einfach fix aus dem Schrank zu holen und nachzuschärfen.

Wie gesagt, diese Systeme haben eine Lernkurve. Ich halte sie aber auch für die vielseitigste Methode, um Küchenmesser und andere Klingen zu schärfen und hat man die Lernkurve überwunden, eignen sie sich auch für den Alltag, weshalb ich sie nicht nur im Nebensatz erwähnen wollte. Falls ihr weitere Fragen dazu habt (habt ihr, ich weiß es, ich habe selbst immer noch welche), schreibt sie mir in die Kommentare.

Die ganze Nachbarschaft weiß, dass du Messer wieder scharf machen kannst … oder du magst es, Knöpfchen zu drücken und hast etwas Geld übrig

Tormek ist in erster Linie im Handwerk ein bekannter Name für Schleifgeräte für sämtliche Werkzeugarten. Mit dem wirklich außergewöhnlich schön gestalteten, hochwertigen Tormek T-1 hat die schwedische Firma vergangenes Jahr einen Messerschleifer für zu Hause auf den Markt gebracht.

Tormek T-1 Messerschleifer

Ja, stimmt schon, 370 € sind kein Schnäppchen. Ich bin aber schnell großer Fan vom T-1 geworden. Vielleicht auch oder gerade weil er so wunderbar idiotensicher ist – Stichwort „kaputtreparieren“. An der Diamantscheibe, die für das Schärfen verantwortlich ist, ist ein Winkelhalter angebracht, der sich stufenlos zwischen 8° und 22° einstellen lässt. Die Klinge wird in diesen Halter geschoben und dann mehrfach an der sich automatisch (und leise!) drehenden Scheibe entlanggeführt. Dann wird das Messer von der anderen Seite eingeführt, bei Bedarf wird das Ganze ein- bis zweimal wiederholt, dann kann das Messer an der ebenfalls integrierten Abziehscheibe entlang geführt werden, um den Grat zu reduzieren, fertig.

Manche fragen vielleicht skeptisch, ob eine Diamant- und eine Komposit-Abziehscheibe reichen. Nein, zumindest nicht für Reparaturen oder wirklich spiegelblanke Klingen. Dafür gäbe es den für Gastroküchen konzipierten Tormek T-2, bei dem die Schleifscheiben gewechselt werden können. Aber für den Alltag ist mir bisher nichts Einfacheres in die Finger gekommen. Und da sich der Klingenhalter an der Winkeleinstellung lösen lässt, können auch kleinere Messer oder auch große chinesische Kochmesser geschärft werden – allerdings etwas mehr „frei Hand“. Wenn ihr euch als die verlässliche Messerschleif-Anlaufstelle für den Freundeskreis, die Nachbarschaft oder die Familie hergebt und den Klingelbeutel herumreicht, kommen die 370 Flocken ja vielleicht auch wieder rein.

Was ich noch nicht beurteilen kann, ist die Haltbarkeit der beiden Scheiben. Bisher machen beide jedoch einen guten, haltbaren Eindruck.

Wer vor sich selbst das Budget rechtfertigen kann – eine Schleifstein-Sammlung kann auch ins Geld gehen! –, sollte zugreifen, bei uns steht der T-1 tatsächlich sichtbar (allein der Eichengriff 😍) griffbereit in der Küche. Klar, es ist ein Küchengerät, aber trotzdem relativ kompakt.

Den Tormek T-1 gibt es direkt im Tormek Shop.

Weitere Schleifmethoden und warum ich sie eher für bedingt empfehlenswert halte

Der gute alte Wetzstahl oder Wetzstab

Wenn Fernsehköche blitzschnell ihre Messer am Wetzstab entlang fliegen lassen, erinnert das nicht ohne Grund an aggressives Säbelrasseln oder ein Alphatier-Gehabe. Ja, sieht irgendwie cool aus, aber wer könnte so freihändig bitte einen Winkel gerade halten? Korrekter und für die Messer nachhaltiger verwendet man sie, indem man den Stab beispielsweise mit der Spitze auf das Schneidebrett auflegt und dann das Messer auf beiden Seiten im eben möglichst gleichen Schleifwinkel daran vorbeigleiten lässt. Dabei wird bei den meisten Wetzstählen oder -stäben aus Keramik der Grat wieder gerade gebogen oder entfernt, die Stäbe schärfen also, nachschleifen geht damit nur bedingt. Dafür ist von den vorgestellten Methoden allein ein Wetzstab dazu geeignet, auch Messer mit Wellenschliff, also Brotmesser nachzuschärfen. Da diese allerdings vergleichsweise wenig Wartung benötigen, schicke auch diese weg, wenn sie stumpf sind.

Ioxio Keramik-Wetzstab
IOXIO Keramik Wetzstab

Da das meiner Meinung nach aber auch mindestens beinahe genauso schnell mit den anderen vorgestellten Methoden geht, gute Wetzstähle gerne auch mehr kosten als ein etwas feinerer Schleifstein und sie für harte Messer im Regelfall nur bedingt geeignet sind, würde ich gerade Anfängern eher dazu raten, das Messer regelmäßig auf Jeans, Karton oder Balsaholz abzuziehen oder einen feinen Schleifstein fürs fixe Nachschärfen herauszuholen – das trainiert dann auch das Muskelgedächtnis.

Unseren Wetzstab aus Keramik kann man hier bestellen.

Der HORL Rollschleifer

Der HORL Rollschleifer aus Freiburg dreht nun seit einigen Jahren Runden, vor allem durch Publikationen, die Wohnen und Ästhetik zusammenbringen. Aber steckt hinter der Fassade des Zylinders, der fast schon mehr aussieht, wie ein kleines Möbelstück auch was?

Der HORL funktioniert, indem die auf beiden Seiten des schweren, hochwertigen Korpus angebrachten Schleifscheiben an der Klinge, welche magnetisch an einem Holzklotz mit vorgegebenen Winkeln (vernünftige 15° und 20°) gehalten wird, vorbeigeschoben werden. Das Prinzip ist schnell erklärt, die Handhabung auch relativ schnell erlernt. Man muss nur einen unkomplizierten Bewegungsablauf und den richtigen Druck lernen, mit dem der HORL an der Klinge entlang geführt wird, dann läuft das.

Der HORL 2 in Eiche. Abgebildet mit dem magnetischen Messerhalter und der Keramik-Schleifscheibe aus dem Standard-Set.

Aber: er kostet. Für das „Standardprodukt“, den HORL 2, den ich auch beschreibe, werden aktuell 159 € aufgerufen. Im Set ist der Rollschleifer selbst in Eiche oder Walnuss, eine relativ grobe Diamant-Schleifscheibe und eine Keramik-Abziehscheibe, die auch feiner sein könnte. Für die Alltagsschärfe am günstigen Messer mag es reichen. Für härtere Messer (über die Härte habe ich hier auch etwas geschrieben) und einen höheren Anspruch sind die Korund-Schleifscheiben fast schon Pflicht, welche allerdings jeweils 49 € zusätzlich kosten.

Dafür ist der Schleifvorgang selbst ist nicht gerade schnell. Auch um kleinere Ausbrüche herauszuschleifen, braucht es einiges an Geduld. Der HORL kann ohne zu tricksen außerdem nur Klingen schärfen, die kleiner sind, als er selbst. Die müssen aber wiederum höher sein, als der Magnethalter, sonst wird das auch fummlig. Und es kann passieren, dass die Schleifpartikel durch die Magnetisierung des Halters an der Klinge haften bleiben. Das kann, wenn man unvorsichtig ist, dazu führen, dass sie an die Klingenseiten gelangen und diese dort verkratzen, weshalb es ratsam ist, das Messer zwischendurch immer wieder abzuwischen und im Anschluss auch den Winkelhalter gründlich zu reinigen.

Ich verstehe aber absolut, dass er Fans hat. Nadine mag ihn beispielsweise am liebsten von allen vorgestellten Methoden. Es macht auch Spaß, ihn zu benutzen, keine Frage. Außerdem benötigt er wenig Platz und den, den er belegt, wertet er im Regelfall auf … schick ist er schon, der Zylinder. Ich würde das Budget jedoch lieber in ein anderes der oben vorgestellten Geräte stecken.

Den HORL 2 kann man beispielsweise hier kaufen.

Fazit

Ich hoffe, ich konnte zeigen, dass es eigentlich wirklich damit getan ist, das Lieblingsmesser wie ein Höhlenmensch auf einem Stein hin und her zu rubbeln. Für Menschen, die etwas weniger Geduld, Angst davor, etwas beschädigen oder Spaß an toll funktionierenden Geräten haben, halten verschiedene Hersteller aber auch andere Möglichkeiten parat – zu unterschiedlichen Budgets. Ich hoffe, mit den aufgelisteten Szenarien konnte ich einen Großteil von euch abholen und eine Empfehlung für eine passende geben. Offene Fragen beantworte ich aber wie immer sehr gerne in den Kommentaren. Und lasst mich auch gerne wissen, ob weitere, detaillierte Beiträge zu dem Thema erwünscht sind … ich bin eben doch auf der Nerd-Seite verhaftet.

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Die nerdige Hälfte von Eat this! Liebt es, auch aufwändiger zu kochen und ist deshalb vermutlich für die langen Rezepte auf dem Blog verantwortlich. Kann nie genügend Kochmesser haben und liebt Chilis in allen Formen und Farben. In der Freizeit sitzt er gerne auf dem Fahrrad und hört dabei Metal.


5 Kommentare

Gib deinen Senf dazu

  1. Wie konnte ich bisher mit meinen Messern überleben…. ich schleife und schärfe meine Messerchen fast ausschließlich mit dem Bandschleifer!
    Vielen Dank mal für die auch für mich ausführliche Beschreibung über das Messerschleifen und Schärfen.
    Ich mache selber Messer der unterschiedlichsten Arten, habe mir selber einen 2 Meter Bandschleifer gebaut, einsetzbar von ca. 8 m /sec. bis knapp 40 m /sec. Die klingen schneide und forme ich selber aus entsprechenden Rohlingen, lasse diese aber von Profis härten, da ich in unserer Haushälfte nicht schmieden kann…. Da ich mehrere Messer in Anwendung habe, die ich in unserer Küche fast täglich verwende, schärfe ich zwischendurch meine Schneiden mit einem Keramikwetzstab, und zwar richtig! Viele meiner Freunde und Bekannten haben nach meiner Meinung ein übertriebenes Schärfebedürfnis, jedes Messer muss „rasiermesserscharf“ sein. Ich frage mich natürlich wofür?? Wenn ich meine noch vorhandenen Haare rasieren will, dann nehme ich halt ein RASIERMESSER, aber keinen Küchenfeitel…. In ein paar Jahren werde ich vermutlich meine 80er feiern und noch immer meine Messerchen selber schleifen, schärfen und vielleicht polieren…. 🙂

  2. Danke für den anschaulichen und gut erklärten Messerschärf-Beitrag. Zwei Punkte sind mir aufgefallen, die einer Ergänzung bzw. Richtigstellung bedürfen:

    Unterschied Schärfen/Schleifen: die Erklärung dafür wird angekündigt, aber nicht beschrieben. In unserem Berufszweig wird es meist so verstanden: Schärfen ist die manuelle, Schleifen die maschinell unterstützte Spanabtragung. Die Abgrenzung ist nicht scharf, aber in etwa passt das so.

    Methodik Schärfstein: mit der von Ihnen beschriebenen Methodik wird der Laie nicht weit kommen, das haben Sie ja auch selber angedeutet. In meinen VHS-Schärfkursen kann man das mit geeigneter Methodik von Grund auf erlernen und üben. Gut beschrieben ist das übrigens auch in der Anleitung zu dem Wetzstein 4453-0 von Wüsthof (mit Abstand bester Stein am Markt), die von einem ehemaligen Kollegen verfasst wurde.

    Mit besten Grüßen, Andreas Bieringer
    Messerschmiedemeister i.R. (bzw. korrekt heute Präzisionsschneidwerkzeugmechaniker-)
    Schweinfurt

    1. Hallo Andreas,

      vielen Dank für deine konstruktive Kritik. Im Gespräch unter Hobbyisten haben sich die Begriffe Schleifen und Schärfen als den tatsächlichen Schleifvorgang auf beliebigem Schleifmedium und das alltägliche „Nachschärfen“ durch Touch-Ups, das Abziehen oder den Wetzstab zwischendurch etabliert – zumindest meiner Wahrnehmung nach.

      Die Beschreibung der Wetzstein-Methode lässt zu wünschen übrig, da gebe ich dir recht. Das war aber auch in gewisser Weise Absicht, da sich der Vorgang so oder so rein textlich schwierig erklären lässt. Dieser Beitrag soll deshalb mehr einen Überblick geben, anstelle alle Methoden detailliert vermitteln zu wollen.

      Viele Grüße und Danke nochmal
      Jörg

  3. ich kaufe als „gute“ Messer nur noch Authentic Blades. Die sind Eisenhaltig und funktionieren quasi nach dem Gegenteilprinzip, die schneiden weil sie nicht perfekt scharf sind, sondern durch ausgerissene Moleküle eine Mikrozahnung haben. Geschliffen werden die einfach mit der Unterseite eines Tellers (der unglasierte Ring)

    1. Hi Lars!

      Genau genommen haben alle herkömmlich geschärften Messer eine Mikrozahnung, die je nach Feinheit des Schleifmittels mehr oder weniger ausgeprägt ist und ein Messer schärfer wirken lassen kann. Deshalb ist diese Rasiermesserschärfe in der Küche häufig gar nicht so erstrebenswert, ein wirklich spiegelblank poliertes Messer kann schon wieder so scharf sein, dass es nicht mehr einfach in die Tomatenhaut „beißt“. Aber damit wäre ich jetzt echt in der Nerd-Unterhaltung. 😅

      Die Tellerunterseite kann als fixes Schärfmittel nützlich sein. Allerdings kann normale Tischkeramik auch mal mit größeren Sandkörnern versetzt sein und die können bei harten Klingen zu Ausbrüchen führen. Deshalb wäre ich damit je nach Messer vorsichtig.

      Liebe Grüße und danke für dein Feedback
      Jörg